Doku über CDU-Chef Ziel Kanzleramt: Der lange Weg des Friedrich Merz – und seine letzte Hürde

Damals, 2001: Die CDU-Chefin Angela Merkel und Unionsfraktionschef Friedrich Merz lachen sich im Bundestag an.
Damals, 2001: Die CDU-Chefin Angela Merkel und Unionsfraktionschef Friedrich Merz lachen sich im Bundestag an.
© Peer Grimm / DPA
Eine neue Fernsehdokumentation im ZDF versucht, sich dem Oppositionsführer zu nähern. Aufschlussreicher als Merz' Aussagen sind allerdings die Kommentare seiner Konkurrenten – und eine prominente Fehlstelle.

Knapp 45 Minuten währt der Film. Doch Friedrich Merz sagt darin nur einen kurzen Satz über die Frau, die sein Berufsleben geprägt hat wie kein anderer Mensch. Die Frau, die ihn einst kühl abservierte, ihm den Fraktionsvorsitz abnahm und statt seiner ins Kanzleramt einzog. 

Merz leitet diesen Satz mit einem kurzen, gepresst klingenden Lacher ein, während er ein Foto hochhält. "Angela Merkel und ich", sagt er: "Es gab richtig gute Zeiten". 

Das Bild zeigt die beiden vor gut 20 Jahren, als er das erste Mal als Chef der Unionsfraktion im Bundestag amtierte und sie als Vorsitzende der CDU. Gemeinsam arbeiteten sie als oppositionelle Doppelspitze, und dies nicht einmal schlecht – bis sie an ihm vorbeizog.

Das Trauma der Degradierung durch Merkel wirkt bei Merz deutlich nach. Bis heute verbindet beide eine gegenseitig und zuweilen sogar offen zur Schau gestellte Antipathie. 

So wie er ihr die damalige Verletzung nicht vergessen kann, so wenig verzeiht sie ihm offenkundig, dass er sich ihres Erbes bemächtigt hat. Und so wenig, wie Merz über Merkel redet, so wenig redet sie über ihn. Denn natürlich, sagt Filmautor Steffen Haug, habe er bei der Altkanzlerin wegen eines Interviews angefragt. Und ebenso natürlich habe sie abgelehnt. 

Kann Merz Kanzler?

Haug war lange Jahre bei Spiegel TV, zuletzt als Chefredakteur. Inzwischen dreht er als freier Autor erfolgreiche Dokumentationen. Für den Film über Merz, den das ZDF am Dienstagabend ausstrahlt, haben er und sein Co-Autor Maik Gizinski den Oppositionsführer über mehrere Monate begleitet, im Bundestag, auf Parteiveranstaltungen und natürlich bei sich daheim, im Sauerland.

Herausgekommen ist ein filmisches Porträt, das sich Zeit nimmt, um Spannung aufzubauen, bis hin zur finalen Frage: Wird Merz der nächste Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland?

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Gezeigt wird, wie Merz in Paris den Weltpolitiker übt und vor einem Gespräch mit Emmanuel Macron im Élysée-Palast über "das Denken in europäischen Dimensionen" sinniert. Und gezeigt wird natürlich auch, wie hart er Olaf Scholz als "Klempner der Macht" im Bundestag attackiert: "Sie können es nicht!"

Dass er, Merz, es kann: Daran lässt er auch im Film nicht den geringsten Zweifel aufkommen. Haug und Gizinski deuten nur an, dass der Grund für den nicht enden wollenden Ehrgeiz des Politikers nicht bloß in der Merkelschen Demütigung, sondern auch in der Merzschen Kindheit zu suchen ist. Die Schulzeit, das sagt er selbst, sei "alles andere als von überragenden Leistungen geprägt" gewesen. Nachdem er eine Klasse wiederholen musste, habe er nur "ein durchaus durchschnittliches Abitur" erreicht.

Der Film arbeitet die Lebensstationen von Merz flott ab, vom Friedrich, dem Sitzenbleiber, über Jura-Studium, Europaparlament, Bundestag, Fraktionsvorsitz und das zwei Jahrzehnte währende Exil in der Wirtschaft bis hin zu den drei Anläufen für den CDU-Vorsitz – und schließlich, mit Ende 60, dem Griff nach dem höchsten Regierungsamt in Deutschland.

Oder? Auch gegenüber Haug und Gizinski sagt Merz nicht offiziell, dass er Kanzler werden will. Gleichwohl bleibt zu keiner Filmminute fraglich, dass er nach den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im Herbst die Kandidatur für sich reklamieren wird. 

Söders Bedingungen

Doch leicht dürfte es wieder nicht werden. Die repräsentative Umfrage, die das ZDF für den Film in Auftrag gab, bestätigt die bekannt miesen Popularitätswerte von Merz. Zwei Drittel der Deutschen halten ihn für unsympathisch, nur ein knappes Viertel hat eine gute Meinung von ihm. Entsprechend landet er bei der Frage, mit wem die Union die besten Chancen bei der Bundestagswahl 2025 habe, mit 15 Prozent deutlich hinter Markus Söder und Hendrik Wüst, die auf 27 beziehungsweise 25 Prozent kommen.

5-Minuten-Talk: Merz als Kanzler, ernsthaft?
Friedrich Merz könnte nun doch der Kanzlerkandidat der Union werden – das glaubt auch stern-Chefkorrespondent Nico Fried. Wie er das geschafft hat, besprechen Fried und stern-Politikchef Jan Rosenkranz im 5-Minuten-Talk.
Merz als Kanzler, ernsthaft? Der 5-Minuten-Talk mit stern-Politikexperten

Merz versucht, die Zahlen zu relativieren. "Wir führen hier keinen Schönheitswettbewerb", sagt er. Wie der nordrhein-westfälische Ministerpräsident diese Ergebnisse kommentiert, erfährt der Zuschauer nicht. Wüst habe bei Interviewanfragen immer wieder Terminprobleme vorgeschützt, sagt Haug.

Dafür ist der bayerische Regierungschef und CSU-Vorsitzende zu sehen, wie er in breitem Fränkisch seine Bedingungen für den Herbst durchdekliniert. "Fakt ist, man muss mit der CSU klarkommen", sagt Söder. "Wer die Regel übergeht oder übersieht oder meint, es geht ohne den, der die meisten Stimmen bringt: Dann wird es immer schwierig."

Die letzte Hürde auf dem Weg zur Kanzlerkandidatur steht also in München. "Ich glaube, wir beiden können miteinander", sagt Söder in jovialem Ton – was allerdings der klug geschnittene Film nicht einfach stehen lässt. Die Ansage wird zerstört durch zwei Sätze eines bitter lächelnden Armin Laschet, der erst als Kanzlerkandidat scheitern musste, damit Merz seine letzte Chance bekam. Der erste Satz lautet: "Markus Söder sagt, sein Platz ist in Bayern." Der zweite folgt nach einer kurzen Kunstpause: "Das hat er mir auch schon mal gesagt."

Es ist die ZEIT-Journalistin Mariam Lau, die das dennoch Offensichtliche formuliert: "Wenn morgen Bundestagswahlen wären, wäre Friedrich Merz Kanzler." Doch das letzte Wort geben Haug und Gizinski dann doch Söder. Der sagt: "Nur eines ist auch klar: Lang, lang, lang ist der Weg dorthin."

"Mensch Merz! Der Herausforderer" läuft am Dienstag, 16. April 2024, 20.15 Uhr, im ZDF. In der Mediathek des Sendes ist er bereits ab 10 Uhr abrufbar.