Einen Tag nach dem unblutigen Ende des Geiseldramas von Wrestedt (Niedersachsen) ist die zweite Geisel am Donnerstagabend mit einer Passagiermaschine in Hamburg gelandet. Anschließend wurde sie mit einem Hubschrauber der Polizei in ihren Heimatort Schlieckau bei Uelzen geflogen. Die 25 Jahre alte Frau war mit einer Lufthansa-Maschine aus Frankfurt um 18.10 Uhr in Hamburg angekommen.
Eskortiert von einem Fahrzeug des Bundesgrenzschutzes (BGS) fuhr die junge Frau in einem Kleinbus mit mehreren Begeleitern über das Rollfeld. Am Geschäftsfliegerzentrums des Flughafens stieg die 25- Jährige in einen grün-weißen Polizeihelikopter. Vor dem Abflug in Kiew war die Bankangestellte von ihrem Verlobten empfangen worden.
»Auf keinen Fall Profis«
Gegen die mutmaßlichen Bankräuber aus Lüneburg werde Anklage wegen schwerer räuberischer Erpressung und Geiselnahme erhoben, sagte Oberstaatsanwalt Manfred Warnecke. Den ehemaligen Aussiedlern drohe eine Haftstrafe von mindestens zehn Jahren. Die drei Geiselnehmer waren nach Angaben der Polizei »auf keinen Fall Profis«. Deutsche Kriminalbeamte sind in der westukrainischen Stadt zur Vorbereitung des Rücktransports, sagte Polizeisprecherin Ljudmila Chmurowskaja in Rowno.
Geiselnehmer war Auszubildender in der Bank
Einer der Geiselgangster von Wrestedt kannte sich offensichtlich in der überfallenen Bank bestens aus: Ein Räuber war Auszubildender in der Sparkasse. Anfang 2001 sei er nach einer achtmonatigen Lehre wegen Unregelmäßigkeiten entlassen worden. »Ich habe ihn rausgeschmissen«, sagte der Filialleiter Die drei Täter sollten nach Angaben aus der Ukraine noch am Donnerstag ausgeliefert werden.
Die Täter sind nach Polizeiangaben 23, 25 und 26 Jahre alt. Alle drei seien Aussiedler, zwei von ihnen aus Kasachstan. Bei der Durchsuchung ihrer Wohnungen in Lüneburg sei Beweismaterial sichergestellt worden. Zunächst hatte es geheißen, sie wohnten in Hamburg. Die Geiselnahme sei eine »Fortsetzung von Improvisation« gewesen, sagte ein Polizeisprecher. Mit den beiden Frauen in ihrer Gewalt hätten sich die Täter den Fluchtweg sichern wollen.
Einsatz wird auf Fehler untersucht
»Wenn die Beamten nicht so früh am Tatort gewesen wären, hätte es mit Sicherheit gar keine Geiselnahme gegeben«, sagte der Polizeisprecher. Der Einsatz werde routinemäßig auf Fehler untersucht. »Der Einsatz wird überprüft, so wie wir alle Einsätze überprüfen, um eventuelle Schwachstellen zu finden«, sagte Einsatzleiter Hans Reime.
Beamte gingen zu sorglos vor
Nach Darstellung der »Nordwest-Zeitung« heißt es in Polizeikreisen, die Beamten seien zu sorglos vorgegangen, hätten die Situation in der Bank völlig falsch eingeschätzt und Einsatzempfehlungen für Banküberfälle nicht beachtet. Geregelt ist das Vorgehen in einer Dienstvorschrift. Darin wird den Beamten unter anderem geraten, bei einem Überfall nicht überstürzt in eine Bank zu rennen, sich dem Eingang vorsichtig zu nähern, dabei Deckung auszunutzen und sich darauf einzurichten, dass sie erwartet werden.