Angela Merkel und Horst Seehofer – das wird nichts mehr. Jetzt hat die Kanzlerin auch noch Franz Josef Strauß vom CSU-Podest geholt: Sein Wort, wonach es rechts von der Union keine demokratisch legitimierte Partei geben dürfe, gilt nicht mehr.
Was tut sich da auf im Verhältnis von Angela Merkel zu Horst Seehofer? Ist es ein Riss, der langsam zum Spalt wird? Oder schon ein Spalt, der zum Graben werden kann? Es ist längst mehr, viel mehr: Es ist Schützengraben – und sage keiner, dass dieser Graben nicht täglich noch viel tiefer werden könnte. Der Entfremdungsprozess der beiden Unionsspitzen ist derart weit fortgeschritten, dass mittlerweile die Frage gestellt werden muss, ob überhaupt noch genug Substanz da ist, weiter einen gemeinsamen Weg zu gehen.
Die jüngsten Aushubarbeiten am Graben zu Seehofer hat die Kanzlerin am Wochenende mit einem bemerkenswerten Interview in der FAS gestartet. Angela Merkel hat mit einem furz-trockenen Schachtelsatz mal eben das Argumentationsgebäude des CSU-Säulenheiligen Franz Josef Strauß zum Einsturz gebracht. Straußens Grundüberzeugung war, dass es rechts von der Union im deutschen Parteienspektrum keine demokratisch legitimierte Partei geben dürfe. So hat er Politik gemacht. Und seine Nachfolgegeneration auch. Der CSU ist dieser Satz lange Zeit in Fleisch und Blut übergegangen. Der CDU ebenfalls. Merkel – offenbar – nicht. Im FAS-Interview formulierte sie dazu: Wenn der Strauß-Satz so verstanden werden müsse, dass "Prinzipien relativiert oder gar aufgegeben werden müssten, damit Menschen sich nicht von der Union abwenden, Prinzipien, die für unser Land, wie auch die Union konstitutiv sind, die den Kern unserer Überzeugungen ausmachen, dann gilt dieser Satz für mich nicht."
Kampfansage Merkels
Das ist ein bisschen Bob Dylan ("The times, they are a changin`") und ein bisschen Luther ("Hier stehe ich, ich kann nicht anders"). Vor allem aber ist es eine kaum verklausulierte Kampfansage an Horst Seehofer. Der kann, so Merkels Botschaft, gerne weiter rhetorisch auf Dauerfeuer gegen ihren Kurs insbesondere in der Flüchtlingspolitik schalten – ich weiche nicht.
Merkel beinhart! Seehofer fühlt sich "schon ein bisschen ins Mark getroffen". Der CSU-Chef hält die Prinzipien-Passage im Merkel-Interview für "völlig unnötig". Wenn er sich da mal nicht vertut. Denn im Wortsinne "im Prinzip" hat die Kanzlerin das erste Mal ohne Umschweife an ihre unions-internen Kritiker formuliert, was sie als Konsequenz aus ihrer Flüchtlingspolitik in Kauf zu nehmen bereit ist: Die Verweigerung der Gefolgschaft Andersdenkender bis hin zur stabilen Interessenvertretung dieser Andersdenkenden durch eine demokratisch legitimierte Partei. Diese Partei ist längst da. Sie heißt AfD. Und Merkels Diktion dazu lautet: Dann ist das eben so. Wenn man so will, dann hat Merkel so etwas wie ihre Richtlinienkompetenz für den Unionskurs bekräftigt. Wer daran rütteln will, der stört. Aber er ändert nichts mehr.
Ein Treffer in Horst Seehofers Herz
Die Prognose sei gewagt: Es wird Horst Seehofer nicht gelingen, Merkel in den verbleibenden knapp anderthalb Jahren bis zur Bundestagswahl zu einer rechtspopulistischen Kehrtwende zu bewegen. Für jemanden wie den CSU-Chef, der das seit Monaten vollmundig versucht und permanent mit Konsequenzen droht, ist das eine extrem trübe Aussicht. Angela Merkel, das ist die Wahrheit dieses Wochenendes, hat Seehofer deshalb nicht nur "ein bisschen ins Mark getroffen". Sondern mitten ins Herz.