Flugblatt-Affäre Sondersitzung in München: Söder hält an Aiwanger fest, dieser schweigt – und die AfD applaudiert

Der bayerische Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger
Der bayerische Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger sagte bei der Sondersitzung des Landtags nicht selbst aus
© Sven Hoppe / POOL / AFP
Die Sondersitzung des bayerischen Landtags zur Flugblatt-Affäre endet ohne Konsequenzen. Alle Parteien kritisieren Söder, Aiwanger und das Pamphlet – außer einer.

Nach der Flugblattaffäre des bayerischen Vizeministerpräsidenten Hubert Aiwanger (Freie Wähler) haben CSU und Freie Wähler eine Befragung von Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und Markus Söder (CSU) in einer Sondersitzung des Landtags verhindert. Einen entsprechenden Antrag lehnten die Regierungsfraktionen ab. Die Geschäftsordnung des Landtags sehe dies nicht vor.

Ebenfalls scheiterte ein Antrag zur Entlassung Aiwangers von Grünen und SPD. 19 Abgeordnete stimmten im Zwischenausschuss dafür, 32 dagegen, wie der Vorsitzende des Gremiums Thomas Kreuzer bekanntgab. Enthaltungen gab es demnach nicht. Die Parteien hatten den Antrag damit begründet, dass die Erklärungen zu den Vorwürfen um ein antisemitisches Flugblatt aus Schulzeiten "völlig unzureichend" seien. Sein Umgang mit der Affäre mache ihn für sein Amt untragbar, Aiwanger schade dem Ansehen Bayerns in der Welt.

Aiwanger hatte als 16 Jahre alter Schüler der Oberstufe ein antisemitisches Flugblatt im Schulranzen und wurde dafür von seiner Schule sanktioniert. Das Flugblatt stammt Aiwangers Aussage nach von dessen Bruder. Söder verzichtet trotz bundesweiter Kritik weiterhin auf eine Entlassung seines Stellvertreters und Wirtschaftsministers.

"Was verstehen Sie unter Reue und Demut?"

Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann stellte nach dem gescheiterten Antrag auf eine Befragung Aiwangers zahlreiche Fragen offen an den bayerischen Vize-Minister. "Was verstehen Sie unter Reue und Demut?" oder "Wie wollen Sie das Vertrauen der jüdischen Gemeinden wieder zurückgewinnen?", fragte Hartmann. Söder fragte er, ob er sich mit dem Festhalten an Aiwanger wohlfühle. Es seien in der Sache viele Fragen offen, dies sei einer bayerischen Regierung "unwürdig", kritisierte der Vorsitzende der stärksten Oppositionsfraktion.

SPD-Fraktionschef Florian von Brunn nannte Aiwangers Verhalten in der Affäre ebenfalls unwürdig. Von Brunn verwies dabei auch auf einen umstrittenen Auftritt Aiwangers bei einer Demonstration gegen das Heizungsgesetz der Bundesregierung in Erding. Aiwanger habe dort klare Kennzeichen für Rechtspopulismus gezeigt. "Damit bereiten Sie den Gefährdern der Demokratie den Boden."

FDP-Fraktionschef Martin Hagen sagte, er halte Aiwanger nicht für einen Antisemiten. Hagen kritisierte aber, dass der Freie-Wähler-Chef sich als Opfer einer Medienkampagne inszeniert habe.

Auch der parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landtagsfraktion, Tobias Reiß, kritisierte das Flugblatt und Aiwangers Umgang damit. "Offen, mutig und direkt heraus sein muss man nicht nur im Bierzelt", sagte Reiß. Die CSU und insbesondere auch Söder seien aber "die Brandmauer gegen Antisemitismus und gegen rechts". "Diese Brandmauer hat auch keinen Riss."

Florian Streibl, Fraktionschef der Freien Wähler, sagte, seine Fraktion distanziere sich "maximalst" vom Inhalt des Flugblatts. In der Diskussion müsse es aber allein um die Frage gehen, ob Aiwanger ein Antisemit sei. "Die Antwort auf diese Frage lautet eindeutig: Nein, das ist er nicht."

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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AfD-Vertreter nehmen Aiwanger in Schutz

Vertreter der AfD kritisierten, dass wegen der Flugblattaffäre im bayerischen Landtagswahlkampf nicht über politische Versäumnisse der Landesregierung gesprochen werde. Bayern wählt am 8. Oktober einen neuen Landtag.

Der AfD-Fraktionsvorsitzende Ulrich Singer verteidigte Aiwanger aber auch: "Was wir da erlebt haben, war ein politisches Schmierentheater". Der Freie-Wähler-Chef sei von Ministerpräsident Markus Söder mit dessen Fragenkatalog behandelt worden "wie ein Schuljunge". Zudem lägen die Vorfälle mehr als 35 Jahre zurück und Aiwanger habe sich inzwischen entschuldigt, sagte Singer. Dass Grüne und SPD ihm nicht zugestanden hätten, sich in der Zwischenzeit geändert haben zu können, sei "unerhört".

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© Kay Nietfeld
Habeck kritisiert Aiwanger: "Grund, diesen Vize-Ministerpräsidenten nicht mehr im Amt zu belassen"

Der Landtag in Bayern hatte eigentlich bereits seine Arbeit beendet, die nächste Sitzung sollte die konstituierende Sitzung nach der Landtagswahl sein. Ein Viertel der Abgeordneten kam auf Antrag der Opposition in einem sogenannten Zwischenausschuss zusammen. Es war erst das siebte Mal seit Bestehen der Bundesrepublik, dass solch ein Zwischenausschuss tagte.

DPA · AFP
mkb