Da muss Olaf Scholz noch Überzeugungsarbeit leisten. Anfang September hatte der Bundeskanzler auch "ausdrücklich" der Union einen "Deutschlandpakt" angeboten, um allerhand Krisen im Schulterschluss zu bewältigen – beispielsweise in der Migrationspolitik. "Tempo statt Stillstand, Handeln statt Aussitzen, Kooperation statt Streitereien" sei das Gebot der Stunde, sagte Scholz. Was ist draus geworden?
Nichts, kritisiert jedenfalls die Union. Also hat sie am Freitag selbst einen Antrag in den Bundestag eingebracht. Der Titel, wohl kaum Zufall: "Deutschland-Pakt in der Migrationspolitik - Irreguläre Migration begrenzen und steuern". Darin fordern CDU und CSU schärfere Maßnahmen in der Flüchtlingspolitik. Die Debatte geriet zu einem hitzigen Wortgefecht. Die Schlüsselmomente im Überblick:
Der schärfste Angriff
…erfolgte gleich zu Beginn: CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt setzte als erster Redner den Ton der Debatte – und freundlich war er nicht. Der Ampel-Koalition hielt er praktisch ein vollkommenes Versagen in der Migrationspolitik vor. Seit Scholz' Ankündigung eines "Deutschlandpaktes" sei nichts unternommen worden, um "diese Worthülse" zu füllen. "Deswegen bekommen Sie heute unsere Antwort." Und die beinhaltete auch eine Spitze gegen Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), die in der EU-Asylreform bekanntlich einen "historischen" Durchbruch feiert. Dobrindt: "In Europa ist Faeser kein Zugpferd, sondern das trojanische Pferd zur Verschärfung der Migrationskrise." Da gröhlt die Union genüsslich. Faeser schüttelt nur den Kopf – und nimmt schonmal Anlauf für ihre Reaktion.
Die beste Replik
…kam von Innenministerin Nancy Faeser (SPD), die sich wortreich an ihrem Vorredner Dobrindt und der Union insgesamt abarbeitete. Sie empfahl CDU und CSU etwas Bescheidenheit an den Tag zu legen – denn wer "substanzielle Lösungen" (wie im Unions-Antrag) ankündige, müsse diese auch tatsächlich vorlegen. Das hätten die Unions-Innenminister der vergangenen 16 Jahre nicht getan. Faeser kritisierte frühere Aussagen aus Unionsreihen als "Populismus pur", der nur die Rechtsextremen stärken würde. Und zitierte CSU-Politiker Markus Blume als Kronzeugen, dass es nichts bringe, die AfD zu überbieten: "Du kannst ein Stinktier nicht überstinken." Die Union solle nicht dieselben Fehler wiederholen und "einfache Lösungen präsentieren, obwohl es diese nicht gibt". Faeser zum Schluss: Es wäre schön, wenn man die CDU von Helmut Kohl mal wieder hören würde – die noch für "europäische Errungenschaften" wie die offenen Binnengrenzen eingestanden hätte. "Wir liefern echte substanzielle Lösungen, Sie reden nur darüber!"
Den größten Krawall
…machte zweifellos Thorsten Frei, der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU. Lag es daran, dass sein Vorstoß, das Individualrecht auf Asyl abzuschaffen, nicht mehr im Unionspapier auftauchte? Jedenfalls war Frei auf Zinne: Der Ampel warf er "Realitätsverweigerung" vor, Faeser in der Flüchtlingspolitik "in die falsche Richtung" zu laufen. "Der EU-Kompromiss wäre viel besser gewesen, wenn Sie nicht beteiligt gewesen wären", schleuderte er der Innenministerin entgegen, die er obendrein als völlig überfordert darstellte. Auf eine Zwischenfrage der Grünen-Abgeordneten Katrin Göring-Eckardt antwortete Frei, dass sie "nichts verstanden" habe. "Das Ausbilden von Parallelgesellschaften wäre die Folge Ihrer Politik", warf er ihr vor. Das lehne die Union ab.
Die Mini-Überraschung
…bestand darin, dass sich wirklich alle auf die Union eingeschossen hatten – inklusive der AfD. Von Rückendeckung für die Ampel-Migrationspolitik konnte zwar wirklich keine Rede sein, aber laut AfD-Mann Bernd Baumann sei diese erst durch "den katastrophalen Linksschwenk" der Union möglich geworden. Sie sei gegen einen "linken Zeitgeist" eingeknickt, anstatt mit konservativen Positionen dagegenzuhalten. Heißt im Umkehrschluss aber auch: Den Rechtspopulisten gehen die Vorschläge der Union in Sachen Migrationspolitik noch immer nicht weit genug – das ist weniger überraschend.

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Die Preisfrage
…lautete: Wer hat denn nun wem die Hand ausgestreckt respektive ausgeschlagen? Die einen sagen so, die anderen so. FDP-Mann Konstantin Kuhle sagte: "Der Bundeskanzler hat Ihnen die Hand ausgestreckt, die Sie heute ausgeschlagen haben." Alexander Throm von der Union entgegnete später: Nein, nein, "wenn Sie nicht auf uns zugehen, dann kann es einen solchen Deutschlandpakt nicht geben".
Festhalten lässt sich am Ende dieser hitzigen Bundestagsdebatte: Mit geballten Fäusten lassen sich keine Hände schütteln.