Innenminister Friedrich Verfassungsschutz-Debatte "künstlich" und überzogen

Bundesinnenminister Friedrich hält die Debatte um die Beobachtung der Linken für überzogen. Er bleibt dabei: Die Maßnahme ist nötig. Die Linke wirft der Bundesregierung vor, die Partei aus rein taktischen Erwägungen vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen.

Die Beobachtung von Linke-Abgeordneten durch den Verfassungsschutz schlägt weiter hohe Wellen. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hält die Diskussion für unnötig. "Das wird jetzt alles hochgezogen, weil man offensichtlich einen günstigen Moment glaubt, wo man sich als die Partei der Linken einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz entziehen kann", sagte er am Mittwoch im Deutschlandfunk. "Aber das wird hier nicht gelingen." Linke-Chefin Gesine Lötzsch warf der Regierung im ZDF-"Morgenmagazin" vor, mit der Beobachtung Wähler der Linken verunsichern zu wollen.

Lötzsch sieht sich nicht als verfassungsfeindlich an: "Ich habe die Aufgabe, und die nehme ich auch sehr ernst, die Verfassung zu verteidigen." Am Wochenende war durch den "Spiegel" bekanntgeworden, dass der Verfassungsschutz 27 der 76 Bundestagsabgeordneten der Linken beobachtet, also politische Äußerungen von ihnen auswertet. Das Bundesinnenministerium bestreitet, dass die Abgeordneten vom Bundesverfassungsschutz mit nachrichtendienstlichen Mitteln überwacht würden.

Niedersachsens Verfassungsschutz-Präsident Hans-Werner Wargel räumte den Einsatz von geheimdienstlichen Mitteln ein. "Wir haben immer öffentlich gesagt, dass wir nicht nur mit offenen Mitteln beobachten", sagte er am Dienstag dem Sender Radio Bremen. In Niedersachsen würden "punktuell auch nachrichtendienstliche Mittel" eingesetzt.

Keine "Überwachung", sondern "Beobachtung"

Friedrich sagte dazu: "Es gibt eine klare Anweisung schon eines meiner Vorgänger, dass es keine Überwachung der Linken gibt, sondern eine Beobachtung. Mir ist nicht bekannt, dass vonseiten des Bundesamtes für Verfassungsschutz gegen diese Anweisung verstoßen wird." Was die Länder machten, müsse dort verantwortet werden.

Der Chef der Linksfraktion im Thüringer Landtag, Bodo Ramelow, bezweifelt, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz zur Beobachtung der Linkspartei keine V-Leute oder verdeckte Ermittler einsetzt. Ramelow sagte der "Mitteldeutschen Zeitung" (Mittwoch), ihm habe sich 2006 ein ihm seit längerem bekannter Mann mit den Worten vorgestellt, er sei als V-Mann tätig. Dieser Mann habe sich ihm offenbar aus Furcht offenbart, entdeckt zu werden.

Friedrich bekräftigte, die Linke werde seit mehr als 16 Jahren beobachtet. "Insofern ist die Aufregung, die jetzt da künstlich erzeugt wird, nicht verständlich." Die Beobachtung sei notwendig, weil die Partei "in Teilen die Beseitigung unserer Ordnung anstrebt". Der Verfassungsschutz untersuche Strukturen und Organisationen. "Es geht nicht um die Gefährlichkeit von Personen."

Abgeordnete sollen sich wehren

Innerhalb der Linken gebe es Teile, die sich nicht von linksextremistischer Gewalt abgrenzten, einen marxistischen Staat errichten wollten oder sich nicht vom Unrechtsstaat der DDR distanzierten.

Lötzsch warf dem Bundesinnenminister vor, er sei dabei, "mit dem Holzhammer unsere Verfassung zu zertrümmern". Die Äußerungen seien "wirklich unter der geistigen Armutsgrenze". Man solle sich mit der Linken lieber politisch auseinandersetzen, anstatt ihr "Schlapphüte auf den Hals (zu) hetzen".

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Lötzsch kündigte an, sie werde auch herausfinden wollen, ob sie während ihrer Mitgliedschaft im Vertrauensgremium überwacht und beobachtet wurde. Sie rief alle Abgeordneten dazu auf, sich zu wehren. "Wir als Abgeordnete haben die Aufgabe, den Verfassungsschutz zu kontrollieren und nicht umgekehrt."

dpa
kgi/DPA