Bundesregierung und Opposition sind auf deutliche Distanz zu dem von US-Vizepräsident Richard Cheney geforderten Präventiv-Schlag gegen den Irak gegangen und haben vor Alleingängen der USA gewarnt. Über eine mögliche deutsche Beteiligung bestehen die Differenzen aber weiter fort.
Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) machte den Einsatz der Bundeswehr von einem Mandat der Vereinten Nationen und einer einheitlichen Haltung der Europäischen Union abhängig. Bundeskanzler Gerhard Schröder hält nach Angaben von Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye die von Cheney veränderte Zielrichtung für verfehlt.
Unter dem Eindruck der Cheney-Rede präzisierte Stoiber am Mittwoch in Berlin die Unions-Position: »Das Entscheidungs- und Handlungsmonopol in dieser Frage liegt bei den Vereinten Nationen. Alleingänge eine Landes ohne Konsultation, Abstimmung und ohne Mandat der internationalen Staatengemeinschaft sind damit nicht vereinbar«, sagte er. Nachdrücklich sprach er sich für eine enge Kooperation vor allem mit Frankreich sowie den anderen EU-Partner aus.
Cheney hatte vor dem Veteranenverband in Nashville (US-Bundesstaat Tennessee) einen Präventivschlag gegen den Irak als »zwingend« nötig bezeichnet. Mahnungen befreundeter Staaten, von einem Militärschlag abzusehen, hatte er »unlogisch« genannt.
Schröder, Außenminister Joschka Fischer (Grüne) sowie die Grünen-Chefin Claudia Roth lehnten eine deutsche Beteiligung erneut ab. Er halte es für falsch, auf einen Krieg zuzusteuern, statt weiterhin auf einen Einsatz von Inspektoren im Irak zu drängen, sagte Schröder.
Auch Stoiber sagte unter Berufung auf die Haltung der französischen Regierung, die internationale Gemeinschaft müsse mit größerer Entschlossenheit für eine Rückkehr der UN-Waffenkontrolleure eintreten. Deutschland und seine Verbündeten seien sich einig, dass Iraks Präsident eine Gefahr für den Frieden in der Region und weit darüber hinaus darstelle. Auf die Frage nach einer Beteiligung deutscher Soldaten an einem Waffengang, ging Stoiber nicht direkt ein. Wenn es einen entsprechenden UN-Beschluss gebe, könne er sich nicht vorstellen, »dass sich Europa davon distanziert«.
Das Irak-Thema wird möglicherweise von Schröder auch bei einem Treffen mit UN-Generalsekretär Kofi Annan am Rande der Weltkonferenz in Johannesburg angesprochen, auf dem der Kanzler Anfang kommender Woche erwartet wird. Auch bei einem informellen Außenministerrat der EU an diesem Freitag in der dänischen Stadt Helsingoer werde der Irak ein Thema sein, meinte ein Fischer-Sprecher in Berlin.
Nach Fischers Meinung wäre ein Präventivkrieg der USA gegen den Irak »ein Fehler«. Wenn ein so wichtiger Bündnispartner der Europäer wie die USA sich auf Irrwegen befände, »dann müssen wir das auch sagen«, sagte er auf einer Wahlkampf-Veranstaltung in Rostock. Roth sagte, Cheney und Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hätten deutlich gemacht, dass sie an einer völkerechtlichen Legitimation einer militärischen Intervention nicht interessiert seien.

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FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt sagte, die UN müssten ungeachtet der Bedrohungen durch Hussein der Ort für internationale Konfliktlösungen sein. »Wer aber bereits jetzt ankündigt, auch ohne Sicherheitsratsbeschluss vorgehen zu wollen, schwächt die Vereinten Nationen«, meinte Gerhardt