Die Bundesregierung verstärkt in der Frage eines möglichen amerikanischen Angriffs auf den Irak ihren Widerstand. Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) machte deutlich, die in Kuwait stationierten deutschen Panzer würden im Falle einer US-Intervention abgezogen. Die sechs ABC-Spürpanzer und 52 Soldaten seien für den internationalen Anti-Terror-Kampf vorgesehen, sagte Struck der »Berliner Zeitung«. »Wenn die Gefahr besteht, dass unsere Soldaten in eine kriegerische Auseinandersetzung gegen den Irak verwickelt würden, wäre das durch den Bundestagsbeschluss nicht mehr gedeckt. Dann müssten sie abgezogen werden.«
Deutliche Worte vom Kanzler
Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) legte sich am Donnerstagabend bei einer Wahlkampfveranstaltung in Saarbrücken fest, dass es unter seiner Führung keine Beteiligung Deutschlands an einer militärischen Intervention im Irak geben werde. Dem Unions-Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber (CSU) warf Schröder vor, in der Irak-Frage Freundschaft mit Unterordnung zu verwechseln.
Stoiber unter Beschuss
Kritik an Stoiber kam auch von FDP-Bundestagsfraktionschef Wolfgang Gerhardt: Die jüngste Kritik des CSU-Chefs an einem möglichen US-Alleingang beruhe allein auf Wahlkampfgründen. »Die Position von Herrn Stoiber ist durchschaubar. Er möchte nicht, dass die Menschen im Wahlkampf Herrn Schröder für einen Friedensengel und Herrn Stoiber für einen Kriegstreiber halten«, sagte Gerhardt der in Berlin erscheinenden Tageszeitung »Die Welt«.
Den USA warf Gerhardt vor, die Vereinten Nationen (UN) nicht ernst genug zu nehmen. FDP-Chef Guido Westerwelle lehnte einen US-Militärschlag gegen den Irak ebenfalls klar ab und forderte: »Zuerst geht man nach Europa. Dort stimmt man sich ab.« Der frühere Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) sagte am Donnerstagabend in Gelsenkirchen: »Ich sehe die Voraussetzungen für einen Angriff auf den Irak weder aus politischen noch aus rechtlichen Gründen als gegeben an.«
Die PDS hielt der Bundesregierung Unglaubwürdigkeit bei ihrem Nein zu einem Militärschlag der USA gegen den Irak vor. Für die Linkssozialisten komme eine Zustimmung auch bei einem UN-Mandat nicht in Frage, sagte PDS-Bundestagsfraktionschef Roland Claus der »Rhein- Zeitung« in Koblenz/Mainz. »Es gibt für uns derzeit keine Option, in der wir einen Militärschlag unterstützen könnten.«
Keine Unterstützung trotz UN-Mandat
Verteidigungsminister Struck sagte auf die Frage, ob er eine deutsche Beteiligung an einem Militärschlag gegen den Irak auch für den Fall ausschließe, dass der UN-Sicherheitsrat dies gut heiße: Ein solcher Beschluss sei »eine rechtliche Grundlage, aber keine Verpflichtung«.
Wie viele Biowaffen lagern im Irak?
Unterdessen warnte die ehemalige UN-Chefinspektorin Gabriele Kraatz-Wadsack in der »Welt« vor dem Biowaffen-Potenzial des Irak. »Die Waffensysteme sind sicher heute in großen Teilen reduziert. Aber natürlich weiß man nicht, was in den letzten dreieinhalb Jahren vor sich gegangen ist, seit die Inspektionen unterbrochen sind. Der Irak hat auf jeden Fall das Know-how und das Potenzial.« Kraatz-Wadsack war bis 1998 insgesamt 26 Mal als Inspektorin für Kontrollmissionen der UN im Irak. Sie hält die Bedrohung für sehr realistisch: Der Irak verfüge über ein riesiges Spektrum an tödlichen und krank machenden Erregern sowie Erregern, die wirtschaftliche Schäden verursachen.