Vielleicht hätten die Liberalen das tun sollen, was sie im Bundestagswahlkampf 2009 versprochen hatten: Sie hätten das Entwicklungshilfeministerium abschaffen sollen. Manches wäre der FDP erspart geblieben.
Erspart geblieben wäre der FDP der Spott der Medien. Denn die Partei schaffte das Ministerium nicht ab - sondern berief ihren ehemaligen Generalsekretär Dirk Niebel zum Minister desselben. Die Diskrepanz zwischen Wahlkampfversprechen und tatsächlichem politischen Handeln belastet die FDP auch heute noch, im Wahlkampf 2013. Unglaubwürdigkeit lautet das Stichwort.
Aktuell krebsen die Liberalen in gefährlicher Nähe der Fünf-Prozent-Marke herum. Und ausgerechnet jetzt beschert Niebel ihr weiteres Ungemach - und zwar mit dem Entwicklungshilfeministerium: Wie das ARD-Magazin "Monitor" berichtet, hat Niebel seit seinem Amtsantritt vor vier Jahren mehr als 40 Stellen in seinem Ministerium mit FDP-Mitgliedern und Mitarbeitern der Partei besetzt.
Was das ARD-Magazin am Donnerstag enthüllte, könnte Niebels Karriere beschädigen. Demnach stellte er seit 2009 mindestens 25 Parteifreunde als Referenten ein. Hinzu kamen mehrere Referatsleiter in Unternehmen, die dem Ministerium angegliedert sind.
Niebel nahm dabei die Parteifreunde, wo er sie kriegen konnte: Ex-Mitarbeiter im Bundestag, FDP-Mitglieder aus Ortsvereinen und Landesverbänden, am liebsten aus Baden-Württemberg, das Bundesland für das der gebürtige Hamburger im Parlament in Berlin sitzt.
Der Personalrat wird nicht mehr gefragt
Damit die Postenvermehrung auch richtig in seinem Sinne funktionierte, hatte der Minister in seinem Hause die bis dahin praktizierte Beteiligung des Personalrats bei der Bewerberauswahl abgeschafft. Hartwig Schmitt-Königsberg, Vorsitzender des Verbandes der Bediensteten der obersten Bundesbehörden (VBOB), sagt dazu: "Ein beispielloser Vorgang. Das habe ich in all meinen Jahren im öffentlichen Dienst noch nicht erlebt."
Niebel bestreitet dies energisch, so wie er die seit langem in Bonn und Berlin kursierenden Gerüchte über seine Spezlwirtschaft stets bestritt. Er stelle Leute ohne Blick aufs Parteibuch ein, sagte Niebel. Allein "Eignung, Befähigung und Leistung" zähle.
Das sah die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" schon im Januar 2012 ganz anders. Das Blatt schrieb, Niebel missbrauche sein Ministerium um "FDP-Steigbügelhalter" zu belohnen. Der Minister, der sein Amt im Wahlkampf noch abschaffen wollte, "erfindet eine neue Führungsposition nach der anderen und besetzt diese mit Parteisoldaten - ohne Rücksicht auf Qualifikation oder den Nutzen der Entwicklungspolitik", stand da zu lesen. Niebels Alimentierung persönlicher Freunde sei skandalös und "für eine Partei, die stets dem schlanken Staat das Wort redet, abstoßend."

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Niebels Personalpolitik war auch schon früher Anlass zu ungewöhnlichen Debatten im Bundestag: Beispielsweise zeigte der SPD-Politiker Sascha Raabe, entwicklungspolitischer Sprecher seiner Fraktion, den Minister wegen "Günstlingswirtschaft" an.
Zusage vor Ende des Bewerbungsverfahrens
Dabei ging es um Folgendes: Der Minister oder Mitarbeiter aus der Führung der Behörde hätten, so Raabes Vorwurf, der früheren Oberbürgermeisterin von Ettlingen, Gabriela Büssenmaker, die Stelle als Leiterin der neuen Servicestelle Engagement Global bereits drei Monate früher fest zugesagt, ehe das Bewerbungsverfahren abgeschlossen war.
Laut Raabe seien dadurch 60.000 Euro Steuergeld unnütz ausgegeben worden, um den Anschein zu erwecken, es habe ein faires Bewerbungsverfahren stattgefunden. Ettlingen liegt übrigens in Baden-Württemberg.
Niebel bestritt die Vorwürfe, die FDP sprach vom "abwegigen Versuch, mangels politischer Angriffsfläche einen personalpolitischen Popanz aufzubauen." Allerdings: Büssenmaker hatte in einem Interview gesagt, sie habe eine neue feste Job-Zusage - und das, ehe die Niebel-Stelle überhaupt ausgeschrieben war. Die Sache sei "in trockenen Tüchern," aber sie habe Vertraulichkeit zugesichert,“ sagte Büssenmaker. 133 Kandidaten hatten sich auf den Posten beworben.
Ärger machte Raabe Niebel auch, als der Minister einen privat gekauften Teppich von der Bundeswehr am Zoll vorbei in die Bundesrepublik hatte einfliegen lassen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte den FDP-Politiker dafür getadelt und ihn aufgefordert, den Zoll so schnell wie möglich nachzuholen. Raabe gab Niebels Chefin den Rat: "Sorgen Sie dafür, dass nicht ein Teppich fliegt - sondern der Minister."
Niebel muss sich seit langem Angriffe wegen seiner Personalpolitik gefallen lassen Der SPD-Fraktionsvize Gernot Erler hatte kritisiert, das Ministerium "degeneriere mehr und mehr zur Versorgungsanstalt für altgediente FDP-Funktionäre". Da hatte Niebel - er war einst Berufssoldat - gerade den ehemaligen Bundeswehr-Oberst Friedel Eggelmeyer in die Leitung seines Ressorts gehievt, obwohl er von Entwicklungshilfe wenig verstand.
Die Grüne Claudia Roth kommentierte, Niebel mache sein Ministerium "in schamloser Art und Weise zu einem Auffangbecken für alte FDP-Freunde und Bundeswehrkameraden". Vielleicht wolle er die Entwicklungshilfe auch militärisch ausrichten, witzelte sie. Sogar der Koalitionspartner CSU war sauer auf den Minister. Von dort war zu hören: Wenn sich die Personalpolitik nicht ändere, gebe es Krach.
Durch seine Personalpolitik vergrößerte Niebel das Ministerium: Die Zahl der Abteilungen stieg von drei auf fünf, die der Unterabteilungen von acht auf zwölf und die Zahl der Referate um 18.
Die FDP hat jetzt ein Problem mit dem Ministerl: Er ist der Spitzenkandidat der Partei in Baden-Württemberg. Niebel gibt sich trotz der neuen Details zu seiner Personalpolitik stolz: "Ich bin das Aushängeschild des Landesverbandes." Ob der am Wochenende stattfindende FDP-Parteitag das auch so sieht, ist eine spannende Frage.