Kinderschutz Kanzlerin bittet zum "Kindergipfel"

Nach einer Reihe erschütternder Gewalttaten trifft sich Kanzlerin Merkel mit den Ministerpräsidenten der Länder zu Beratungen, wie der Schutz von Kindern verbessert werden kann. Dabei reichen die Vorschläge von verbindlichen Vorsorgeuntersuchungen bis zur Verankerung im Grundgesetz.

Die Ministerpräsidenten der Länder treffen heute zu einem "Kindergipfel" mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammen. Die Spitzenrunde will am Nachmittag im Kanzleramt darüber beraten, wie der Schutz von Kindern verbessert werden kann. Dabei dürfte es auch um die Forderung von SPD-Chef Kurt Beck gehen, Kinderrechte als Staatsziel im Grundgesetz zu verankern. Merkel und die CDU lehnen dies ab. Einigkeit besteht bereits darüber, dass die Früherkennung von Gewalt und Verwahrlosung verbessert werden soll. Merkel, der hessische Ministerpräsident Roland Koch und Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit wollen die Ergebnisse der Beratungen am späten Nachmittag auf einer Pressekonferenz vorstellen.

Verbindliche Vorsorgeuntersuchungen

Die SPD-geführten Länder dringen darauf, verbindliche Vorsorgeuntersuchungen für Kleinkinder einzuführen, wie es sie in einigen Ländern schon gibt. Wenn Eltern den Einladungen zum Kinderarzt nicht nachkommen, sollen Mitarbeiter des Gesundheitsamtes die Familien demnach aufsuchen und notfalls das Jugendamt einschalten. Eine Pflichtvorsorge wird dagegen als nicht verhältnismäßig abgelehnt.

Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) und Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) plädieren dafür, die Vorsorgeuntersuchungen auszuweiten. Außerdem soll ein Konzept erörtert werden, wie der Informationsaustausch zwischen Gesundheitsbehörden, Jugendämtern, Kindergärten, Schulen und Polizei verbessert werden kann.

Beck lehnt Zwangsmaßnahmen ab

Unmittelbar vor dem Kinderschutzgipfel gabe es massive Kritik an Merkel. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil warf der Kanzlerin in der Oldenburger "Nordwest-Zeitung" Wankelmütigkeit vor. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Renate Künast, kritisierte in der "Leipziger Volkszeitung", Merkel sei vor den Ministerpräsidenten eingeknickt, weil diese eine Kostenexplosion für eine verbesserte Kinderbetreuung befürchteten.

Zum besseren Schutz von Kindern lehnt der rheinland-pfälzische Ministerpräsident und SPD-Bundesvorsitzende Kurt Beck Zwangsmaßnahmen gegen Eltern ab. "Von Drohgebärden halte ich gar nichts", sagte er am Mittwoch im ZDF-"Morgenmagazin". Beck reagierte damit auf die CSU-Forderung, Betreuungsgeld nur an Eltern zu zahlen, die einen lückenlose Nachweis der Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen vorlegen. "Wir müssen Angebote machen, wir müssen die Leute in ihrer Not begleiten und ihnen nicht sofort wieder mit einer Drohkulisse begegnen", sagte Beck. "Vielschichtige Angebote, die für die Leute leicht anzunehmen sind, das ist das Gebot."

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Beck will Kinderrechte im Grundgesetz absichern

Beck bekräftigte seine Forderung, den Schutz von Kindern in das Grundgesetz aufzunehmen. In der Vergangenheit habe es oft Kompetenzprobleme gegeben, wann das Jugendamt einschreiten dürfe. "Und deshalb glaube ich, dass es angemessen ist, an dieser Stelle, auch eine klare Positionierung in der Verfassung zu wählen."

"Niederschwellige Hilfen", die sehr früh ansetzten, seien das Wichtigste, sagte Beck weiter. Schon Hebammen sollten geschult werden, um zu erkennen, ob die Säuglinge in gefährliche Situationen hinein geboren würden. Das müsse dann in Kindergarten und Schule fortgesetzt werden. Eltern müssten "eindringlich eingeladen" werden, die Kinder regelmäßig untersuchen zu lassen. Kämen sie dieser Einladung nicht nach, müsse "aufsuchend etwas getan werden". All dies solle begleitet werden von einer Initiative, die Verfassung zu ändern.

Keine Kompetenzprobleme mehr

Mit der Verankerung des Kinderschutzes im Grundgesetz könne auch den Jugendämtern eine Basis gegeben werden, das Kindeswohl durchzusetzen. Es gebe Einzelfälle, in denen man sich über andere Grundrechte hinwegsetzen müsse, etwa wenn es darum gehe, das Sorgerecht vorübergehend außer Kraft zu setzen. Das sei zwar heute bereits möglich. "Den Gerichten wäre aber geholfen, wenn sie durch das Grundgesetz eine bessere Handhabe hätten.

Da hat es oft Kompetenzstreitigkeiten gegeben", sagte der Ministerpräsident. In Rheinland-Pfalz habe es zahlreiche Fälle gegeben, wo sich begleitende Betreuung positiv auf die Familien ausgewirkt habe. "Ich glaube, dass es nicht in erster Linie das finanzielle und personelle Problem der Jugendämter ist", meinte Beck. Es gehe darum, generell die Schwelle zu erkennen, ab der eine Intervention nötig sei. Einen Vorschlag aus der Union, das Betreuungsgeld nur Eltern zu zahlen, die die regelmäßigen Untersuchungstermine wahrnähmen, lehnte Beck ab. "Von Drohgebärden halte ich gar nichts." Er wolle ein "Angebot machen, die Eltern in ihrer Not zu begleiten". "Wenn wir uns verständigen können, dass alle volle Anstrengungen unternehmen, dann ist was herausgekommen", beschrieb Beck seine Erwartungen an den Gipfel. Angesehen von der Verfassungsänderung sei der Bund beim Kinderschutz "fast gar nicht im Spiel". Dennoch sei es gut, sich bei Kanzlerin Angela Merkel zu treffen.

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DPA/AP