Im Kampf gegen den Klimawandel hat EU-Umweltkommissar Stavros Dimas ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen gefordert. Es gebe viele Bereiche, in denen sinnlos Energie verschwendet und das Klima belastet werde, sagte Dimas am Wochenende. Eine einfache Maßnahme könnte ein generelles Tempolimit auf Autobahnen sein. Dimas stieß mit seinem Vorschlag auf Widerspruch bei der Bundesregierung und der Autoindustrie. Kanzlerin Angela Merkel sieht unterdessen nach den Brüsseler Klimabeschlüssen auch andere Staaten in der Pflicht.
"Klima wird dann eben bei 130 versaut"
Dimas äußerte in der "Bild am Sonntag" Verwunderung darüber, warum Geschwindigkeitsbegrenzungen nur in Deutschland kontrovers gesehen würden. "Tempolimits sind sehr sinnvoll aus vielen Gründen und völlig normal in den meisten EU-Staaten wie auch in den USA." Umweltminister Sigmar Gabriel warf Dimas eine Verniedlichung des Klimawandels vor. "Aus Gründen der Verkehrssicherheit: nichts dagegen", sagte der SPD-Politiker zu der Forderung. "Aber das Klima wird dann eben bei 130 versaut." Eine Geschwindigkeitsbegrenzung werde nicht dazu führen, dass die Autohersteller neue, umweltfreundlichere Motoren bauten.
Kritik kam auch von Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD). "Herr Dimas missachtet alle Fakten", sagte sein Sprecher Dirk Inger. Selbst Tempo 100 auf deutschen Autobahnen würde den Kohlendioxid-Ausstoß um lediglich 0,6 Prozent reduzieren. Deutschland sei es als einzigem Land in Europa gelungen, die CO2-Emissionen im Verkehr zu senken. "Symbolpolitik hilft beim Klimaschutz nicht weiter." Die Autoindustrie plädierte dafür, Staus und Engpässe auf den deutschen Straßen zu beseitigen. Allein so könnten zwölf Milliarden Liter Kraftstoff jährlich eingespart werden, erklärte der Verband der Automobilindustrie.
Fliegen soll teurer werden
Dimas konkretisierte auch EU-Pläne, den Flugverkehr zu verteuern: "Die Erhöhung der Ticketpreise wird im Bereich von neun Euro für einen Flug in Europa und um 40 Euro für einen Flug in den USA liegen." Im Hinblick auf die Beschlüsse des Brüsseler EU-Gipfels betonte der Grieche die besondere Verantwortung der Bundesrepublik. Ein Durchbruch werde nur gelingen, wenn die EU-Staaten jetzt in der Praxis bewiesen, dass Klimaschutz machbar und bezahlbar sei. Das gelte besonders für Deutschland als wichtigste Industrienation.
Merkel sieht jetzt jedoch auch andere Staaten in der Pflicht: Die USA oder Schwellenländer wie Indien und China könnten attraktivere und bessere Klimaschutzziele durchsetzen, sagte die CDU-Chefin in ihrer wöchentlichen Internet-Videobotschaft. Der Klimaschutz solle Thema auf dem G-8-Gipfel in Heiligendamm im Juni werden: "Ich hoffe, dass es dann einen Schritt in die Richtung gibt, dass mehr Menschen in der Welt sich bereit erklären, etwas gegen den Klimawandel zu tun."

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Regierung plant eigenen Klimagipfel
Auch der Vizepräsident der EU-Kommission, Günter Verheugen, wies auf die Verantwortung anderer Staaten mit einem hohen Kohlendioxid-Ausstoß hin. "Aber ich bin optimistisch: Die USA werden problembewusster, die Chinesen ebenso", sagte er der "Welt am Sonntag". Das Thema Klimaschutz soll auch Thema einer Konferenz sein, die Bundesforschungsministerin Annette Schavan ausrichten will. Zu dem Treffen nach Ostern sollen 200 Wissenschaftler eingeladen werden, sagte die CDU-Politikerin der "Bild am Sonntag". Das Umweltbundesamt plant nach Angaben der Zeitung auch, den Feinstaubausstoß von Kaminen zu senken. Davon seien rund 14 Millionen Besitzer von Kaminen betroffen.
Kritik an der Art der Debatte kam hingegen von SPD-Fraktionschef Peter Struck, der nach dem EU-Klimagipfel vor einer "Klima-Hysterie" warnte. "Plötzlich steht nur noch der Klimawandel an der Spitze und Arbeitsplätze in Deutschland sind egal", sagte Struck der "Bild am Sonntag". "Es geht auch um unseren Wirtschaftsstandort." Es sei nicht sinnvoll, "jeden Tag eine neue Sau durchs Dorf zu jagen".