Nach mehr als 30 Stunden Verhandlungen haben die 178 Staaten beim Klimagipfel in Bonn am Montagmorgen auf einen Durchbruch gewartet. Obwohl Umweltschützer von einer bevorstehenden Einigung der wichtigsten Verhandlungspartner auf ein Kompromisspaket sprachen, wurde weiter in kleinen Gruppen intensiv verhandelt. Nach Angaben aus Konferenzkreisen versuchte Japan noch immer, eine Reihe von Forderungen durchzusetzen. Die entscheidende Verhandlungsrunde im großen Plenum verschob sich immer weiter.
In der Nacht hatte Tagungspräsident Jan Pronk festgestellt, dass nur noch ein einziges Hindernis einer Einigung auf ein Gesamtpaket entgegenstehe, nämlich der Streit zwischen den Staaten um Japan, der EU und den Entwicklungsländern um die Kontrolle der versprochenen Emissionsminderungen. »Es ist meine Überzeugung, dass es möglich ist, eine Einigung zu erzielen«, sagte Pronk. Der politische Wille sei da. Der Gipfel dürfe nicht scheitern. Deshalb eröffnete Pronk eine ursprünglich auf drei Stunden angesetzte Verhandlungsrunde nur über diesen Punkt.
Bis zum frühen Morgen war nach Angaben von Nichtregierungsorganisationen einer der schwierigsten Verhandlungspunkte nahezu ausgeräumt. Auf Druck von Japan sollte im Kompromissvorschlag, den Pronk am Samstagabend unterbreitet hatte, eine Klausel gestrichen werden, nach der die Emissionskontrolle auf Wunsch der EU in einem Extravertrag völkerrechtlich verbindlich geregelt werden sollte.
Die EU wollte hier nachgeben, um in Bonn zu einer Einigung zu kommen, wie es aus deutschen Delegationskreisen hieß. Die Änderung sei akzeptabel, man vertraue bei der Emissionsüberwachung auf die Kraft des Faktischen. Dennoch wurde danach stundenlang weiter verhandelt. Dem Vernehmen nach wollte Japan noch weitere Einzelheiten des Kontrollregimes ändern lassen. Auch die Gruppe der Entwicklungsländer machte sich offenbar für Nachbesserungen stark.
Umweltgruppen auf der Konferenz zeigten sich dennoch zuversichtlich. »Wir haben eine 90-Prozentige Chance zu einer Einigung zu kommen«, sagte Christoph Bals von Germanwatch. Phil Clapp von der amerikanischen Gruppe National Environmental Trust sagte: »Wir sind ganz nahe dran.« Was noch verhandelt werde, seien nicht die »Mega-Fragen«.
Nächtliche Verhandlungen
Ursprünglich war eine Einigung auf die Regeln zur Umsetzung des Kyoto-Protokolls im Laufe des Sonntags angestrebt worden. Im Gegensatz zur EU stellten sich Japan, Kanada und Russland sowie die OPEC-Länder allerdings gegen einen schnellen Kompromiss. Sie verlangten Nachbesserungen an mehreren Punkten des Pronk-Papiers. Sechs Stunden lang beriet Pronk mit Vertretern einzelner Ländergruppen, bis er Verhandlungen über das Kontrollsystem anbot. Insgesamt war sein Papier nach Darstellung der EU Japan und Kanada bereits weit entgegengekommen.
Im Protokoll hatten die Industrieländer 1997 versprochen, ihren Ausstoß an Treibhausgasen bis 2012 um durchschnittlich 5,2 Prozent unter den Wert von 1990 zu senken. Es kann erst in Kraft treten, wenn es 55 Staaten ratifiziert haben, und diese müssen 55 Prozent der Treibhausgase in der Gruppe der Industrieländer auf sich vereinigen.
Japans Regierungschef will derzeit »nichts Konkretes« sagen
Der japanische Regierungschef Junichiro Koizumi hat es am Montagnachmittag (Tokioter Ortszeit) abgelehnt, sich zu den laufenden Verhandlungen beim Bonner Weltklimagipfel näher zu äußern. Zum gegenwärtigen Stand sei es wohl »besser, nichts Konkretes zu sagen«, da die japanische Umweltministerin Yoriko Kawaguchi derzeit mit den anderen Staaten verhandele, sagte Koizumi nach seiner Rückkehr vom G-8-Gipfel in Genua zu Reportern.

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick
Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!
Bei den Klimaschutz-Verhandlungen in Bonn kommt es vor allem auf die Position Japans an. Bei der Überwachung der Klimaschutzmaßnahmen will Tokio eine weiche Linie durchsetzen. Werde dieser Punkt nicht gelöst, werde es in Bonn kein Abkommen geben, machte Tagungspräsident Jan Pronk deutlich. »Damit würde es auch keine Ratifizierung des Kyoto-Protokolls geben. Dann haben wir nichts.« Der Ausgang steht der Verhandlungen offenbar auf des Messers Schneide.
BUND beurteilt Gipfelergebnis schon jetzt negativ
Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) hat schon vor dem Ende des Bonner Klimagipfels dessen Ergebnis negativ beurteilt. Wenn Japan sich auch noch bei dem letzten strittigen Punkt durchsetze und es keine Sanktionen bei Nichteinhaltung der vereinbarten Klimaschutzziele gebe, dann sei der ganze Kompromiss wirklich nichts mehr wert, sagte die BUND-Bundesvorsitzende Angelika Zahrnt am Montag im InfoRadio Berlin-Brandenburg. Das substanzielle Ergebnis - die Reduktion des CO2-Ausstoßes um zwei Prozent - sei sowieso schon mehr als dürftig und mit Blick auf das Notwendige »eindeutig zu wenig«. »Mit diesem Protokoll wird sich das Klima nicht retten lassen.«
Positiv zu bewerten sei aber, dass der Prozess der Verhandlungen über die CO2-Reduktion überhaupt am Leben erhalten werde. Sie hoffe, dass der Prozess eine gewisse Eigendynamik entwickle, und setze vor allem auf den Druck der eigenen Bevölkerung auf die Regierungen, die sich gegen eine Unterzeichnung des ursprünglichen Protokolls gesträubt hätten. Ein Aufwachen werde es wahrscheinlich erst dann geben, wenn sich Klimakatastrophen in immer mehr Ländern deutlicher abzeichneten.