Bei den Koalitionsverhandlungen von SPD und Grünen wird der Ton rauer. Umstritten sind insbesondere der Verkehrsausbau und künftige Zuständigkeiten in der Energiepolitik. In der sechsten Verhandlungsrunde am Mittwoch lieferten sich beide Seiten eine erste offene Machtprobe. Angesichts einer Fülle von Forderungen insbesondere der Grünen warnte Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) vor ungedeckten Schecks und mahnte die Koalitionäre zu äußerster Sparsamkeit. Er mahnte, das Sparziel von mindestens 10 Milliarden Euro einzuhalten.
Der künftige »Superminister« für Wirtschaft und Arbeit, Wolfgang Clement (SPD), beharrt darauf, dass die Kompetenzen für erneuerbare Energien in seinem Ressort verbleiben. Dies will der kleine Koalitionspartner nicht hinnehmen. Beide Seiten wollen versuchen, den Streit an diesem Donnerstag in einer rot-grünen Spitzenrunde beizulegen.
Auch bei der Verkehrspolitik konnten sich SPD und Grüne noch nicht auf ein einheitliches Konzept verständigen. Wie Grünen-Chef Fritz Kuhn nach der Sitzung mitteilte, wurde das gesamte Verkehrsprogramm in Höhe von 90 Milliarden Euro auf Drängen seiner Partei unter einen Finanzierungsvorbehalt gestellt. Es müsse klar sein, dass die Projekte auch tatsächlich bezahlt werden könnten, betonte er.
SPD-Fraktionschef Franz Müntefering machte aber deutlich, dass die Sozialdemokraten angesichts des steigenden Verkehrs großen Wert auf Investitionen in diesem Bereich legten. Ein hoher Anteil des Programms solle nach Ostdeutschland fließen. Wegen dieser Kontroverse hatten beide Seiten die Verhandlungen vorübergehend unterbrochen.
Klar ist indes, dass nach dem Hochwasser dieses Sommers die Elbe als Schifffahrtsweg - wie von den Grünen gefordert - endgültig nicht weiter ausgebaut wird. Allerdings kam es auch in diesem Punkt zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen Verkehrsminister Kurt Bodewig (SPD) und Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne), die Kanzler Gerhard Schröder (SPD) schlichten musste.
Daneben verständigten sich die Koalitionäre darauf, Treibhaus-Gase innerhalb der EU stärker abzubauen als bisher geplant. Deren Ausstoß solle bis 2020 um 30 Prozent bezogen auf 1990 reduziert werden. Deutschland wolle diese Gase in diesem Zeitrahmen sogar um 40 Prozent reduzieren, wenn es zu einer entsprechenden Vereinbarung mit den EU- Partnern komme, sagte Kuhn. Die Regierung hatte vor zwei Jahren das nationale Klimaschutzprogramm verabschiedet, mit dem der Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid in Deutschland bis 2005 um bis zu 70 Millionen Tonnen verringert werden soll.
SPD und Grüne verständigten sich auf eine Novellierung des Fluglärmgesetzes, um Anwohner an allen deutschen Flughäfen besser vor Lärm zu schützen. Zudem kündigten die Koalitionspartner ein neues Umweltgesetzbuch an, in dem alle umweltrelevanten Gesetze zusammengeführt werden sollen.
Trotz schwieriger Haushaltslage will Rot-Grün die Mehrwertsteuer nicht anheben. Dies wurde nach dpa-Informationen in der Arbeitsgruppe Finanzen bei den Koalitionsverhandlungen am Dienstagabend deutlich. In der Runde, an der auch Eichel teilnahm, habe man damit begonnen, die Möglichkeiten des steuerlichen Subventionsabbaus auszuloten. Inzwischen soll auch die aktive Arbeitsmarktpolitik auf den Prüfstand, um Mittel für den Anschub der Hartz-Pläne zur Reform des Arbeitsmarktes freizusetzen.

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick
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Führende ostdeutsche Sozialdemokraten lehnen eine Teilung des Bau- und Verkehrsministeriums in der künftigen Bundesregierung strikt ab. Beide Bereiche seien für den Aufbau Ost wichtige Kernaufgaben, erklärte der thüringische SPD-Landeschef Christoph Matschie zu angeblichen Überlegungen in der Koalition.
Vor Beginn der Verhandlungen über die Themen Verkehr und Bau warnte die Bauindustrie vor einer Einschränkung der Eigenheimzulage. Der Wohnungsbau gehöre zu den am schlechtesten laufenden Sparten in der Branche, sagte der Hauptgeschäftsführer der deutschen Bauindustrie, Michael Knipper, in einem dpa-Gespräch.
An diesem Donnerstag stehen - neben der Energiepolitik - die Themen Inneres, Recht, Agrarpolitik und Verbraucherschutz auf der Tagesordnung der Koalitionsgespräche.