Wie war das Treffen der drei Parteichefs der schwarz-gelben Koalition im Kanzleramt? Nein, natürlich kein Krisentreffen! Hat man sich angebafft? Nein, natürlich nicht! Man hat sich in aller Ruhe, ganz sachlich an den aktuellen politischen Problemen abgearbeitet. Es war, sagt CSU-Chef Horst Seehofer höflich, ein "stinknormales Treffen." Mit alkoholfreiem Bier und Kartoffelpüree.
Sagen wir es also ungeschminkt so: Es war in der Tat ein stinknormales Treffen, denn konkret beschlossen wurde wieder einmal nichts. Wechselseitig beschimpft per Interview und öffentlichem Brief haben sich die CDU-Vorsitzende Angela Merkel und der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle schon am Vortag. Sie rüffelte ihn wegen frecher Wortwahl, er ballerte in gleicher Tonlage zurück. Genau so war es auch schon wenige Stunden zuvor im Koalitionsausschuss gelaufen. Und auch bereits am Aschermittwoch waren wir Wähler mit Wortklauberei ohne jegliche inhaltliche Substanz bedient worden.
Hartz IV und Gesundheitsreform
Wie lange soll uns das denn noch präsentiert werden? Die Bundesrepublik befindet sich in einer massiven wirtschaftlichen und finanziellen Krise. Das Sozialsystem krankt an allen Punkten. Arbeitsplätze fehlen. Laut wird von der FDP über eine Steuerreform mit einer Entlastung von 20 Milliarden Euro palavert, nur sagt sie keinen Ton über die Finanzierung. Bei der Gesundheitsreform läuft es ebenso absurd: Tagtäglich wird von den Liberalen über die Einführung einer Kopfpauschale im Gesundheitssystem geredet, obwohl die dafür benötigten Milliarden nirgendwo zu sehen sind. Was nur soll etwa ein Hartz-IV-Empfänger denken, über dessen Bezüge Westerwelle herfällt, als ob sie Fettleber und Champagnerbäder garantierten, obwohl der Arbeitslose trotz gutem Willen keine Arbeit findet?
Die Debatten dieser Koalition laufen außerhalb jeder konkreten Betrachtung der Sachlage. Seehofer hat vollkommen recht, wenn er fordert, statt über die Kopfpauschale müsse endlich mal darüber geredet werden, ob denn dann die zehnprozentige Erhöhung der Honorare der Ärzte und die massiven Ausgabensteigerungen im Arzneimittelbereich nicht überaus fahrlässiger Umgang mit den verfügbaren Mitteln der Krankenkassen sind. Und wie gerecht es eigentlich wäre, wenn jedwede Kostensteigerung den Versicherten alleine aufgestülpt wird.
Eine Frage der Choreografie
Diese Koalition bietet außer wechselseitiger Polemik beschämend wenig. Keinen Zeitplan für die Lösung der Probleme. Keinen präzisen Plan für die künftige Energiepolitik. Sie leistet sich eine völlig irrationale Debatte über die vom Verfassungsgericht verordnete Reform des Hartz-IV-Systems. Alle wissen, dass es an den Regelsätzen nichts zu verbessern gibt, zumal die Kanzlerin sich darauf festgelegt hat, dass ein zusätzliches Anzapfen des Haushalts nicht in Frage kommt. Was allein feilgeboten wird an konkretem Handeln ist die Einsetzung von Kommissionen, die irgendwann irgendwelche Ergebnisse abliefern sollen. In Wahrheit will man damit die Problemlösung nur aufschieben. Denn vor der Wahl in NRW allerdings darf keine unbequeme Wahrheit auf den Tisch. Das ist die oberste Devise dieser Koalition. Die streitet lieber darüber, ob flächendeckende Einführung eines Schulfrühstücks jetzt ein revolutionärer Schritt in der Bildungspolitik wäre oder nicht. Das soll davon ablenken, dass das Kennzeichen der Koalition die Politik des Nichtstuns ist.
Schönredner dieser Koalition vergleichen die Situation gerne mit den Verhältnissen, wie Teenager sie in der Tanzstunde erleben. An sich mag man zwar ganz gerne miteinander tanzen, tritt sich aber, weil ungeübt, regelmäßig auf die Füße. Aber eines Tages werde man den angemessenen Umgang schon noch lernen. Doch die Choreografie des Bündnisses besteht offensichtlich nur darin, dass man unentwegt versucht, dem Partner auf die Zehen zu treten, bis er kreischt. Nach den Tanzstunden im Koalitionsausschuss oder im Kanzleramt gehen dann alle nachhause und freuen sich, wie sie mal wieder beim Walzer rechtsrum gestolpert sind, obwohl der Partner linksrum wollte.