Kritik an Schäubles EU-Plänen Bosbach warnt vor mehr Macht für Brüssel

Mit seiner Prophezeiung eines Volksentscheids zu einem neuen Grundgesetz hat Finanzminister Schäuble eine Debatte ins Rollen gebracht. Parteikollege Bosbach warnt vor einer Entmachtung des Bundestags.

Vor dem EU-Gipfel in Brüssel debattieren deutsche Politiker und Verfassungsrechtler weiter über die Verlagerung von Kompetenzen auf europäische Ebene und einen Volksentscheid zu dieser Frage. "Ich bin dagegen, dass wir Kompetenzen vom Bund nach Brüssel verlagern, die den Kern des politischen Gestaltungsspielraumes in Deutschland massiv reduzieren", warnte der Vorsitzende des Bundestags- Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), in der "Frankfurter Rundschau".

"Was Kompetenzverlagerungen angeht, sind wir jetzt schon an der Grenze dessen angelangt, was die Verfassung erlaubt", fügte er hinzu. "Wenn wir das Königsrecht des Parlaments, das Budgetrecht, europäischen Institutionen überantworten, dann tangiert das unser Grundgesetz im Kern. Darüber könnten nicht allein Bundestag und Bundesrat entscheiden. Das ginge nicht ohne Zustimmung der Bevölkerung."

Auch der frühere Bundesverfassungsrichter Hans-Joachim Jentsch hält eine Volksabstimmung bei substanziellen Kompetenzverlagerungen für unabdingbar. "Es steht außer Frage: Formen wir die Europäische Union zu einem Bundesstaat um, so geht das in Deutschland nicht auf der Grundlage unseres Grundgesetzes", sagte Jentsch der "Mitteldeutschen Zeitung". "Wir, das deutsche Volk, müssten uns eine neue Verfassung geben, die das zulässt."

Schäuble brachte Volksentscheid ins Gespräch

Ähnlich äußerte sich der Verfassungsrechtler Christian Kirchberg. "Wenn in beachtlichem Umfang Souveränitätsrechte an übernationale Instanzen abgetreten werden sollen, kommt man jedenfalls mit dem derzeitigen Grundgesetz nicht mehr aus", sagte er den "Stuttgarter Nachrichten".

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hatte die Debatte am Wochenende ausgelöst. Er gehe davon aus, dass ein solcher Volksentscheid schneller kommen könnte, als er noch kürzlich gedacht hätte, sagte er dem "Spiegel". Kanzlerin Angela Merkel (beide CDU) will die wachsende Machtfülle der EU indes nicht durch eine schnelle Volksabstimmung in Deutschland absichern lassen.

Zweidrittelmehrheit für Fiskalpakt gilt als sicher

Beim EU-Gipfel in Brüssel beraten die Staats- und Regierungschefs an diesem Donnerstag und Freitag über die Euro-Schuldenkrise und die europäische Haushaltspolitik. Am Freitag stehen dann im Bundestag und Bundesrat die Abstimmungen über den europäischen Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin und den neuen Euro-Rettungsfonds ESM an.

Die nötige Zweidrittelmehrheit für den Fiskalpakt gilt in beiden Häusern als sicher. Merkel strebt auch bei der ESM-Entscheidung im Bundestag eine solche Mehrheit an, um mögliche verfassungsrechtliche Risiken auszuschließen. Allerdings hat ohnehin das Verfassungsgericht das letzte Wort. Unter anderem will die Linke den Fiskalpakt in Karlsruhe zu Fall bringen. Es handele sich um einen "Eingriff in unsere Budgethoheit", sagte Fraktionschef Gregor Gysi am Montagabend dem Fernsehsender "Phoenix" zur Begründung.

Unterdessen rechnen führende Koalitionspolitiker mit einer Sondersitzung des Bundestages im Juli wegen der Eurokrise. "Wir gehen davon aus, dass die finanziellen Hilfen für Spanien und die Beschlüsse der EU-Kommission noch im Juli im Bundestag beraten werden müssen", sagte Bundestags-Vizepräsident Hermann Otto Solms (FDP) der "Rheinischen Post". In der Verwaltung des Bundestages werde eine Sondersitzung ebenfalls vorbereitet, schreibt das Blatt.

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mlr/DPA