Libyen-Enthaltung Wer soll Deutschland nur verstehen?

Die Bundesregierung nimmt in Libyen Gaddafis Gewaltorgien in Kauf. Ein unverzeihlicher Fehler. Ein Kommentar von Andreas Petzold

Es kommt nicht oft vor, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eine Resolution verabschiedet, um einen blutrünstigen Diktator in die Schranken zu weisen. Ein geradezu lichter Moment in der Historie der oft uneinigen Vereinten Nationen. Als beispielsweise 1999 der serbische Diktator Milosevic die Kosovaren abschlachten wollte, blieb der Sicherheitsrat zerstritten, die Nato griff ohne Mandat ein und verhinderte schließlich einen Völkermord. Deutschland schickte Tornados, der Bundestag hatte auf Bitten der rot-grünen Bundesregierung zugestimmt.

Heute ist alles anders. Der deutsche UN-Botschafter in New York musste sich auf Weisung der Kanzlerin und des Außenministers enthalten, obwohl Menschen, die verzweifelt für ihr Recht auf Freiheit und Selbstbestimmung kämpfen, um Hilfe gebeten hatten. Anders gesagt: Merkel und Westerwelle hätten in Kauf genommen, dass Ghaddafis Söldner in Bengasi einmarschiert wäre. Dort hätte der Despot eine Gewaltorgie angezettelt, die seinem Zynismus und seiner Menschenverachtung folgt. Oder wie soll man es nennen, wenn eine Regierung einen Waffenstillstand ausrufen lässt und gleichzeitig das eigene Volk mit Panzern angreift? Und - wenn es denn stimmt, was der "Guardian" berichtet, dass Leichen aus den Krankenhäusern geholt werden, um "zivile Opfer" als Folge der alliierten Bombenangriffe präsentieren zu können?

Merkel und Westerwelle haben das Pro und Contra sorgsam abgewogen. Und man kann einige Gründe zusammen tragen, die gegen diesen Militäreinsatz sprechen. Beispielsweise sahen sie die Gefahr, dass der Westen es mal wieder richten muss und in der islamischen Welt als Aggressor diskreditiert wird, obwohl die arabische Liga eine Flugverbotszone gefordert hatte.

Regierung ist inkonsequent

Dennoch: Die Bundesrepublik hätte der Resolution zustimmen müssen. Das wäre auch ohne den Einsatz der Bundeswehr möglich gewesen! Vor einem "Ja" hätte man den Partnern die Zurückhaltung deutlich machen können, aber Deutschland wäre nicht aus der Allianz derer ausgeschert, die sich gegen Unrecht, Unfreiheit und die Mordlust eines Diktators wenden! Es gibt schließlich kein Junktim zwischen politischer Unterstützung und einem Marschbefehl. Umgekehrt scheint es ja auch zu gehen: Die Bundesregierung jetzt unterstützt lautstark und "ausdrücklich" die Ziele der UN-Resolution, "Gaddafi muss weg", poltert Westerwelle. Gleichzeitig aber enthält sich Deutschland. Wer soll das verstehen?

Im Übrigen hätte Berlin mit dem Einsatz von Awacs-Aufklärern deutsche Soldaten aus den direkten Kampfhandlungen heraus halten können. Stattdessen findet sich das Parlament nun in der absurden Situation wieder, den Einsatz von Luftwaffen-Awacs über Afghanistan beschließen zu müssen, damit amerikanische Aufklärer von dort nach Libyen verlegt werden können. In vielen Hauptstädten Europas schüttelt man darüber den Kopf. Zu Recht!