AfD-Familienfest "Alles Gute, Herr Krah": In Dresden hat man kein Problem mit dem Auftritt des AfD-Politikers

  • von Tom Kollmar
Maximilian Krah (l.), AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl, winkt in Dresden hinter der Bühne seinen Unterstützern zu
Maximilian Krah (l.), AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl, winkt in Dresden hinter der Bühne seinen Unterstützern zu
© Sebastian Kahnert / DPA
Der Verzicht auf öffentliche Auftritte währte nur wenige Tage: Auf dem AfD-Familienfest in Dresden hat Europakandidat Maximilian Krah sein Comeback gefeiert. Parteichef Chrupalla, ebenfalls vor Ort, versuchte das Thema kleinzuhalten.

Als Maximilian Krah die Bühne auf dem Neumarkt in Dresden betritt, wartet sein Fanklub schon auf ihn. Mitglieder der AfD-Jugendorganisation JA halten Schilder in die Luft. "Mehr DemoKrahtie wagen" oder "Volle Krahft voraus" steht darauf. Auch, welche Rolle sie dem Sachsen in Zukunft zutrauen, ist zu lesen: "Unser Krahnzler."

"Hallo Dresden", sagt der Mann, der in der Stadt aufgewachsen ist, dort studiert und als Anwalt gearbeitet hat. "Heimat ist, wo man sich nicht erklären muss", sagt Krah – und tut es in seiner Rede dann doch. Er spricht fast 25 Minuten.

In Dresden feiert sich die AfD ungestört selbst

Zum 1. Mai hat die AfD zum Familienfest in die Dresdener Altstadt geladen. Bierstand, Grillwürste im Brötchen für 3,50 Euro, Luftballons in AfD-himmelblau. Unweit der Frauenkirche und unter den wachsamen Augen von Martin Luther stehen Biertische, Schirme schützen die Parteianhänger vor der Sonne. Der Platz ist gut gefüllt. Mehrere Tausend erwarte man über den Tag verteilt, sagt ein Parteifunktionär.

Der sächsische Landesverband wurde vom Verfassungsschutz als "gesichert rechtsextremistisch" eingestuft, am Tag der Arbeit verkauft er sich familienfreundlich und volksnah. Für die Kleinen gibt es Popcorn aus AfD-Bechern, für die Großen Grillzangen aus Holz mit Parteilogo. In vielen Teilen Deutschlands wäre das undenkbar. In Dresden feiert die AfD sich im Zentrum der Stadt selbst. 

Die Liste der Gäste ist prominent: der Bundesparteivorsitzende Tino Chrupalla, Landesvorsitzender und Spitzenkandidat für die anstehende Wahl im Freistaat, Jörg Urban – und eben Krah. Der möchte gerne über Frieden reden. Er fordert ein Ende der Waffenlieferungen, erwähnt den russischen Angriffskrieg gleichzeitig nicht. "Europa braucht nicht immer neue Artilleriemunition, Krieg und Tod", sagt er. Beim Publikum kommt das gut an. 

Maximilian Krah greift auf altbewährte Aussagen zurück

Für den Europaspitzenkandidaten ist der 1. Mai der Tag, an dem er zum ersten Mal wieder öffentlich auftritt seit der Affäre um Jian G., seinen wissenschaftlichen Mitarbeiter. Der Deutsch-Chinese sitzt in Untersuchungshaft, die Generalbundesanwaltschaft wirft ihm vor, für den chinesischen Geheimdienst spioniert zu haben. Das soll auch aus dem Büro des Europaabgeordneten Krah heraus passiert sein, dort war G. seit 2019 angestellt. 

In Dresden macht Krah das, was er am besten kann: Angriff. "Die offenen Grenzen. Der Krieg in der Ukraine. Das ist nicht das Werk von Spionen. Das ist das Werk von unfähigen Politikern. Und wir wollen sie weg haben bei den nächsten Wahlen", ruft er von der Bühne. Mit dem Rücken zur Wand und Ermittlungen wegen Spionage und Korruption vor der Brust greift die AfD auf altbewährte Töne zurück: Regierung, Justiz und Medien, alle haben sich gegen die Partei verschworen.

Schon Anfang der Woche hatte Krah gegenüber dem stern schwere Vorwürfe gegenüber den deutschen Sicherheitsbehörden erhoben. Der Verfassungsschutz habe offensichtlich Kenntnisse gehabt, ihn nicht informiert und dann die "Bombe" kurz vor dem Wahltermin platzen lassen. Zeitpunkt und Art und Weise des Handelns seien "kein Zufall". "Ich hoffe, dass man das auch dann glaubt, wenn man nicht AfD-affin ist."

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Krahs Auszeit dauerte eine Woche

Seine AfD-Fans in Dresden jedenfalls glauben ihm. "Irgendwelche Vorwürfe finden sich ja immer", behauptet einer. "Verschwörung", munkelt ein anderer. Auf die Frage, ob sie es problematisch finden, dass Krah in Dresden die große Bühne geboten bekommt, antworten die meisten nur mit einem Wort: "nein". "Alles Gute, Herr Krah", ruft ihm ein älterer Mann über den Bauzaun zu, der den Backstagebereich der Bühne abschirmt. Näher kommen ihm die Anhänger an diesem Tag nicht. Krah verzichtet auf das Bad in der Menge. Und auch die JA-Mitglieder, die nach dem Auftritt mit ihren Plakaten hinter der Bühne warten, gehen leer aus.

Dass der Europaabgeordnete hier in Dresden auftreten darf, ist bemerkenswert. Krah und Parteispitze einigten sich in einem Krisengespräch in Berlin im gemeinsamen Einvernehmen darauf, dass Krah vorerst keine öffentlichen Auftritte absolvieren wird. Die Auszeit dauerte weniger als eine Woche. Das liegt auch daran, dass sein Heimatkreisverband Dresden Veranstalter des "Frühlings- und Familienfest" ist, so der offizielle Name. Während die AfD-Fraktion im Bundestag Krah zunehmend kritischer sieht, und ihn dort manche sogar für untragbar halten, ist er für Verband und Basis in Sachsen unproblematisch.

Das behauptet jedenfalls der Landesvorsitzende Urban. "Wir stehen zu unseren Leuten", sagt er am Rande der Veranstaltung. "Gibt es keine kritischen Stimmen im Landesverband, die sich gegen Krah stellen?" Urban: "Ich habe keine gehört." Dann entschuldigt er sich. Er müsse weiter, Hände schütteln.

Wie der Sachse und Bundesparteivorsitzende Chrupalla dazu steht, erfährt das Publikum in Dresden nicht. In seiner Rede geht er auf die Affäre nicht ein, den Namen seines Parteifreundes erwähnt Chrupalla nicht. Auch sonst wirkt es so, als würden sich beide Seiten alle Mühe geben, auf Distanz zu gehen. Krah verschwindet nach seiner Rede schnell wieder und düst mit der dunklen Limousine, die ihm die Partei inklusive eines Chauffeurs zur Verfügung stellt, davon. Etwa eine halbe Stunde später kommt Chrupalla vorgefahren. Immerhin: So konnte er den Parkplatz seines Vorredners nutzen.

tis