Unbeeindruckt von der Kritik aus der FDP-Spitze hält der stellvertretende Parteivorsitzende Andreas Pinkwart an seiner Forderung nach Rücknahme der umstrittenen Mehrwertsteuersenkung auf Hotel-Übernachtungen fest. "Ich finde, gute Politik zeichnet sich dadurch aus, dass sie in der Lage ist, sich zu korrigieren, wenn sie feststellt, dass Gesetze den Praxistest nicht bestehen", sagte der stellvertretende nordrhein-westfälische Ministerpräsident am Montag.
Es sei zwar ein guter Ansatz der schwarz-gelben Koalition gewesen, die Mehrwertsteuer auf Dienstleistungen zurückzuschrauben, um Beschäftigung zu sichern. Die Umsetzung sei jedoch in einer Weise geschehen, "dass sie sich eher als bürokratisches Monster erweist". Die FDP müsse mit dem Koalitionspartner Gespräche führen, um die Regelung zu stoppen. Dies wolle er dem Präsidium seiner Partei vorschlagen.
Jede Menge Kontroversen
Der Vorstoß hat in Berlin derweil eine Kontroverse in der schwarz-gelben Koalition ausgelöst. Der stellvertretende Unionsfraktionschef Michael Fuchs sprach sich ebenfalls dafür aus, zumindest auf mittlere Sicht die Mehrwertsteuerermäßigung für Hoteliers wieder zu kippen. FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger wies die Forderung dagegen zurück. Die Opposition sprach von einer Verzweiflungstat der NRW-Regierungsparteien angesichts der schlechten Umfrage-Ergebnisse vor der Landtagswahl im kommenden Mai.
Der CDU-Wirtschaftspolitiker Fuchs sagte der "Financial Times Deutschland": "Wir sollten die Ermäßigung für Hoteliers, die ich immer schon für falsch gehalten habe, im Zuge einer großen Mehrwertsteuerreform zurücknehmen." Dann werde neu entschieden, für welche Produkte und Dienstleistungen künftig der ermäßigte Steuersatz gelten soll. Die jetzigen Regelungen seien zum Teil unsinnig und ungerecht. Fuchs wandte sich aber gegen ein sofortiges Aussetzen der Mehrwertsteuervergünstigung, wie sie Pinkwart verlangt hatte.
Der Düsseldorfer Regierungschef Jürgen Rüttgers (CDU) unterstützte den Vorstoß Pinkwarts - und bringt damit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zum Ende der 100-Tage-Schonfrist der Bundesregierung in Bedrängnis. Der CDU-Vize betonte: "Es ist gut, dass Herr Pinkwart gesagt hat, dass die Absenkung der Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen ein Fehler war." Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen wird am 9. Mai ein neuer Landtag gewählt. Die Koalition aus CDU und FDP muss nach Umfragen um ihre Mehrheit bangen.
SPD will namentliche Abstimmung von NRW-Abgeordneten
Unterdessen will SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann die NRW-Abgeordneten von Union und FDP im Bundestag namentlich über die Rücknahme der Hotel-Steuersenkung abstimmen lassen. "Die Steuersenkung ist eine der größten Fehlleistungen dieser Bundesregierung", sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung". "Wir haben deshalb bereits in der vorigen Woche einen Antrag eingebracht mit dem Ziel, dass das rückgängig gemacht wird."
Die SPD werde "diesen Antrag noch vor Ostern zur namentlichen Abstimmung bringen. Dann müssen auch die nordrhein-westfälischen Abgeordneten Farbe bekennen und sich zwischen dem Gemeinwohl und Klientelinteressen entscheiden", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion.
Der FDP-Generalsekretär Christian Lindner mahnte im ZDF "Berechenbarkeit in der Koalition" an. "Insgesamt glaube ich, dass wir nicht gut beraten sind, den reduzierten Mehrwertsteuersatz jetzt wieder einzupacken", sagte Lindner. Erste positive Auswirkungen seien bereits sichtbar. Jeder zweite Beherbergungsbetrieb wolle investieren. Allenfalls an den Ausführungsbestimmungen lasse sich noch etwas ändern. "Wo es hakt, da kann man praxistauglicher werden."

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Auch die FDP-Fraktionschefin wies die Forderung ihres Parteikollegen Pinkwart nach Aussetzung der günstigeren Mehrwertsteuer im Hotelgewerbe zurück. "Wir bleiben bei unserer verlässlichen Wirtschafts- und Steuerpolitik", sagte Homburger der "Rheinischen Post". Zugleich kündigte sie eine Reform des Mehrwertsteuersystems in Deutschland für den weiteren Verlauf der Wahlperiode an.