So richtig gern zog die Kanzlerin nach der Landung in Kabul die schwere Splitterschutzweste nicht an. Aber bei der Gefährdungslage, die in der afghanischen Hauptstadt herrscht, folgte Angela Merkel bei ihrem Überraschungsbesuch am Hindukusch dann doch dem Rat ihrer Personenschützer.
Als die Gespräche aber begannen, entledigte sich Merkel der "Bristol", der tarnfarbenen schusssicheren Weste, so schnell wie möglich. In "zivil" sprach es sich leichter mit den deutschen Soldaten. Ein "Zeichen der Wertschätzung" - für die Männer und Frauen in Uniform, aber auch die zivilen Aufbauhelfer - das war die Hauptbotschaft, die die Kanzlerin bei ihren Acht-Stunden-Aufenthalt in Afghanistan vor allem vermitteln wollte.
Kleine Delegation
Die Weste war aber nicht die einzige Sicherheitsmaßnahme für die Kanzlerin. Bis zur letzten Minute wurde die Reise geheim gehalten. Noch am Donnerstagnachmittag wussten in Berlin keine zehn Personen von den Plänen. Selbst das Flugzeug, die "Konrad-Adenauer" der Flugbereitschaft wurde erst auf dem letzten Drücker für Freitagabend bestellt. Ganz klein wurde die Reisegruppe gehalten. Aus ihrem Stab begleiteten nur Regierungssprecher Ulrich Wilhelm, der außenpolitische Berater Christoph Heusgen und ihr stellvertretender Büroleiter Thomas Romes die Regierungschefin.
Alles Menschenmögliche wurde unternommen, um die Sicherheit Merkels zu gewährleisten. Als gefährlich galt insbesondere der Aufenthalt in Kabul. Die Kanzlerin flog zunächst bis Termes in Usbekistan. Um halb drei Uhr nachts deutscher Zeit stieg sie dann in die Transall der Bundeswehr um, die sie nach Kabul brachte.
Keinen Meter zuviel sollte die Kanzlerin auf den unsicheren Straßen der afghanischen Hauptstadt verbringen, auf denen sich immer wieder Selbstmordattentäter der Taliban in die Luft sprengen. Beim Besuch Merkels und Karsais in der hermetisch abgeriegelten Amani- Oberschule, die mit deutscher Hilfe wiederaufgebaut wurde, nahmen Maschinengewehrschützen auf den umliegenden Dächern Stellung.
Zwischen Flughafen und Innenstadt wurde Merkel in einem deutschen Transporthubschrauber geflogen, Bordschützen hielten nach möglichen Angreifern Ausschau. Selbst in der Luft wurde Merkel noch zusätzlich gesichert. Zwei Kampfhubschrauber der US-Streitkräfte vom Typ Apache begleiteten den Helikopter der Kanzlerin.
Lange war diese Reise nach Afghanistan geplant, wo gegenwärtig auch mehr als 3000 deutsche Soldaten versuchen, den Wiederaufbau eines Staatswesen und einer freien Gesellschaft zu sichern - auch, um das Land nicht wieder zur Brutstätte des Terrorismus und damit zur Bedrohung deutscher Sicherheit werden zu lassen. Im Sommer schon wollte die Kanzlerin an den Hindukusch fliegen. Die Reise passte aber letztlich nicht in den engen Terminkalender, der Anfang des Jahres vor allem von der deutschen EU- und G8-Präsidentschaft geprägt war.

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"Außenpolitik von der Sofaecke"
Zuletzt war mit der Reise eigentlich nach der zu erwartenden Zustimmung des Bundestags zur Teilnahme am weltweiten Anti-Terror- Einsatz "Enduring Freedom" (OEF) gerechnet worden. Das wäre ab Mitte November gewesen. Dass Merkel so lange nicht gefahren war, hatte die Grünen-Fraktionschefin Renate Künast dennoch dazu veranlasst, ihr zwischen den Zeilen mangelnden Mut vorzuwerfen. Und auf dem SPD- Parteitag hieb dann sogar noch Außenminister Frank-Walter Steinmeier in die gleiche Kerbe, als er der Kanzlerin indirekt Außenpolitik von der Sofaecke aus vorhielt.
Die Soldaten waren aber durchaus dankbar, dass Merkel gekommen war - zuletzt war mit Gerhard Schröder vor drei Jahren ein deutscher Regierungschef bei der Truppe in Afghanistan gewesen. "Man fühlt sich nicht so verlassen", meinte der junge Oberleutnant Stephan Voges, als Merkel das Hauptquartier der Internationalen Schutztruppe ISAF besuchte. "Die Bestätigung ist wichtig."