Die Diplomatie-Maschinerie der neuen Regierung Merkel läuft auf Hochtouren: Am Mittwoch hat die Bundeskanzlerin ihre Antrittsbesuche bei Frankreichs Staatschef Jacques Chirac und der Nato in Brüssel absolviert. Am Donnerstag nun war ein weiterer wichtiger Verbündeter an der Reihe: der britische Premierminister Tony Blair.
Keine Fortschritte im Budget-Streit
Neben dem Austausch von Höflichkeiten standen in Blairs Amtssitz an der Downing Street auch konkrete Probleme zur Diskussion: die Lösung des EU-Haushaltsstreit mit Großbritannien. Am britischen Widerstand, seinen Sonderrabatt bei den EU-Beiträgen ohne eine umfassende Ausgabenreform aufzugeben, war im Sommer ein EU-Haushalt gescheitert. Blair will vor allem die Agrarausgaben kürzen. Dagegen wehrt sich vor allem Frankreich, das dabei von der rot-grünen Bundesregierung unterstützt wurde. Großbritannien hat derzeit den Vorsitz im EU-Rat und will Anfang Dezember zum Finanzstreit einen Lösungsvorschlag vorlegen.
Merkel erzielte allerdings bei den ersten Gesprächen mit Blair keine konkreten Fortschritte im Streit um das EU-Budget erzielt. Sie wolle aber "alles tun", um mit der britischen EU-Ratspräsidentschaft eine Lösung zu finden, "damit Europa wieder handlungsfähig wird", sagte sie am Donnerstag nach einem Gespräch mit dem britischen Premierminister Tony Blair.
"Wir haben noch drei Wochen Zeit", sagte Merkel mit Blick auf den anstehenden EU-Gipfel im Dezember. Dabei dürfe "kein Land ein anderes überfordern". Bei dem Streit um den EU-Finanzplan für die Jahre 2007 bis 2013 beharrt Großbritannien darauf, dass die Agrarsubventionen, die vor allem Frankreich zu Gute kommen, gekürzt werden. Die anderen EU-Mitglieder fordern von London, im Gegenzug einer Abschmelzung des britischen Beitragsrabatts zuzustimmen.
Auf die Frage, ob sie eher der Position Frankreichs oder der Großbritanniens zuneige, sagte die neue Kanzlerin: "Wer Erfolg haben möchte, muss die Befindlichkeiten und Gegebenheiten jedes Landes mit einbeziehen." Deutschland verbinde zwar eine große Freundschaft zu Frankreich, "aber nicht nur zu Frankreich.
"Ich habe den festen Willen gespürt, dass die britische Präsidentschaft ihren Beitrag leisten will", sagte Merkel. Auch Deutschland werde konstruktiv an einer Lösung mitarbeiten. Zu möglichen Kompromisslinien oder Einigungschancen wollte sich die Kanzlerin nicht äußern. Sie sei ein erfolgsorientierter Mensch, sagte Merkel. "Und deswegen unterstütze ich jeden möglichen Erfolg." Blair sagte: "Wir werden unseren Teil an der Erweiterung bezahlen, natürlich werden wir das. Aber es wird auf Grundlage einer fairen Gesamtlösung und insbesondere fairen Beiträgen sein, die wir gemacht haben und in Zukunft machen werden."
Unterdessen haben sich die zehn neuen Mitgliedstaaten der EU für eine schnelle Einigung im festgefahrenen Streit um das EU-Budget eingesetzt und diese in einem Brief an die EU festgehalten, sagte der polnische Ministerpräsident Kazimierz Marcinkiewicz. Die neuen EU-Mitglieder seien besonders an einer vernünftigen Finanzplanung interessiert, "weil jeder Euro, der uns erreicht, für Entwicklung und wirtschaftliches Wachstum verwendet wird", sagte Marcinkiewicz.

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick
Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!
Bis zum Wochenende will Außenminister Steinmeier in fünf europäischen Ländern Möglichkeiten für eine Lösung des Finanzstreits ausloten. Den Auftakt machte am Donnerstag der estnische Minister Urmas Paet in Berlin. Für den Abend ist ein Gespräch mit dem niederländischen Außenminister Bernard Bot in Den Haag geplant. Am Freitag trifft Steinmeier seinen italienischen Kollegen Gianfranco Fini in Rom und dann Spaniens Außenminister Miguel Angel Moratinos in Madrid. Am Samstag trifft Steinmeier in Berlin Tschechiens Außenminister Cyril Svoboda.
Steinmeier trifft Rice kommenden Dienstag
Am Dienstag kommender Woche geht es für Steinmeier über den Atlantik. In Washington trifft seine Amtskollegin Condoleezza Rice, zuvor besucht er UN-Generalsekretär Kofi Annan. Das transatlantische Verhältnis sei wieder intakt, versicherte Jäger mit Blick auf Differenzen beim Irakkrieg. "Da gibt es nichts zu reparieren", hieß es.
Merkel und Blair haben, von den Finanzproblemen abgesehen, verabredet, dass Deutschland und Großbritannien ihre Beziehungen durch regelmäßige Regierungskonsultationen vertiefen. Regelmäßige Treffen zwischen beiden Regierungen hat es seit Amtsantritt des rot-grünen Kabinetts 1998 nicht mehr gegeben. Mit Ländern wie Frankreich, Italien und Spanien finden solche Konsultationen dagegen statt.