Einen Tag nach der Bürgerschaftswahl in Bremen wird bei den Parteispitzen in Berlin Fazit gezogen: Während sich SPD und die Grünen auf dem richtigen Kurs sehen, verordnen sich die Wahlverlierer CDU und FDP naturgemäß eine To-Do-Liste. Bei der Union ganz oben steht dabei das Thema Atomkraft, das Bundeskanzlerin Angela Merkel als mit wahlentscheidend identifizierte.
Merkel will schnell über Atomausstieg entscheiden
Die CDU-Chefin will nach dem Absturz ihrer Partei in Bremen rasch konkrete Beschlüsse für den Atomausstieg fällen. Es werde "schnelle und auch eindeutige Entscheidungen in der Energiepolitik" geben, sagte Merkel am Montag nach Gremiensitzungen ihrer Partei in Berlin. Die Wahlen in Bremen und auch in Baden-Württemberg, wo die Union nach Jahrzehnten aus der Regierung gefallen war, seien durch die Diskussion über die Energiepolitik bestimmt gewesen. Davon hätten die Grünen profitiert.
Zu schwarz-grünen Gedankenspielen äußerte sich Merkel erneut zurückhaltend. Die Koalition mit der FDP befinde sich noch nicht einmal in der Mitte der Legislaturperiode. Es sei ihre Aufgabe, die christlich-liberale Regierung zum Erfolg zu führen. Der Vorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder forderte im Deutschlandradio Kultur, dass die CDU Abstand zu den Grünen halten müsse.
SPD will die "Kümmerer-Partei" werden
SPD-Genaralsekretärin Andrea Nahles sieht im Bremer Wahlergebnis den Beweis, dass Wirtschaftskompetenz und sozialer Zusammenhalt die richtigen Rezepte seien. Damit habe die SPD auch bei den nächsten Wahlen die Chance, vor den Grünen zu liegen. Die SPD müsse sich stärker den Alltagssorgen der Bevölkerung annehmen. "Wir müssen die Kümmerer-Partei sein", sagte sie am Montag nach Beratungen des SPD-Präsidiums in Berlin.
Nach Ansicht von SPD-Vize Olaf Scholz hat sich in Bremen ein Trend fortgesetzt: "Die SPD ist in den großen Städten erfolgreich", sagte der Hamburger Bürgermeister. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier forderte in der "Rheinischen Post": "Wir müssen uns konkret und pragmatisch auf die Regierungsübernahme 2013 vorbereiten."
Bei den Grünen rückt die K-Frage näher
Bei den Grünen zeigte sich Parteichefin Claudia Roth hocherfreut über das Rekordergebnis: "Man kann sehr wohl regieren und dann bei der kommenden Wahl Zuwachs generieren." Bremen markiere einen weiteren Schritt hin zur Ablösung von Schwarz-Gelb im Bund 2013. Als Volkspartei sähen sich die Grünen nicht. "Allerspätestens seit gestern ist es jetzt vorbei mit der 'Volkspartei'", sagte Roth. Die CDU sei keine Volkspartei mehr, für die Grünen gelte das Etikett ohnehin nicht.

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Die Frage nach einem Kanzlerkandidaten der Grünen nannte die Parteichefin zum jetzigen Zeitpunkt "virtuell". Baden-Württembergs Grünen-Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte Joschka Fischer ins Gespräch gebracht, der frühere Außenminister schließt eine Kandidatur aber bislang aus. Dabei wäre er laut Umfragen der aussichtsreichste Grünen-Kandidat für das Kanzleramt.
FDP-Spitze sieht sich nicht infrage gestellt
Derweil will die Bundes-FDP aus ihrem Wahldebakel in Bremen noch keine Abstimmung über die neue Parteispitze in Berlin sehen. Es habe eine besondere Bremer Vorgeschichte der Liberalen gegeben, die vor der Wahl ihren Fraktionsstatus verloren hatten, sagte Parteichef Philipp Rösler. In der Kürze der Zeit sei es nicht gelungen, dies wettzumachen.
Auch habe die FDP den Bremer Wählern keine Machtoption bieten können, betonte Rösler, der erst seit gut einer Woche Parteichef ist. Nach dem Neuanfang auf dem Rostocker Parteitag habe man nicht erwarten können, binnen einer Woche die Stimmung zu drehen. "Es liegt noch ein langer Weg vor uns", sagte Rösler angesichts des FDP-Wahlergebnisses von 3,1 Prozent.