Nach Voßkuhle-Absage Die schwierige Suche nach Wulff-Nachfolger geht weiter

Eigentlich hatte sich die schwarz-gelbe Koalition bereits auf den Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts als Wulff-Nachfolger geeinigt. Doch der sagte ab. Nun ist das Rennen wieder offen. Zwei Namen werden derzeit als Favoriten gehandelt.

Koalition und Opposition haben am Samstag den Kreis der möglichen Nachfolger des zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff enger gezogen. Während SPD und Grüne ein Mitglied der Bundesregierung kategorisch ausschlossen, verwahrte sich die Union gegen Vorfestlegungen der Opposition. Die SPD hat allerdings den ehemaligen DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck zu ihrem Favoriten erklärt.

Zwar wurde in allen vier Fraktionen beteuert, der Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten solle von allen vier Fraktionen getragen werden. Allerdings war nach einem Treffen der Spitzen der schwarz-gelben Koalition im Bundeskanzleramt am Vormittag das weitere Vorgehen unklar. Unionsfraktionschef Volker Kauder sagte der "Bild am Sonntag", in der Koalition gebe es noch Abstimmungsbedarf. "Erst wenn diese Gespräche abgeschlossen sind, werden wir auf die Opposition zugehen." Auch an anderer Stelle der Koalition hieß es, einen Gesprächstermin gebe es noch nicht.

Dagegen berichteten Oppositionskreise, am Sonntagabend sollten die Spitzen von Koalition und Opposition im Bundeskanzleramt über das weitere Verfahren beraten. An einer Stelle der Koalition wurde das Treffen bestätigt. Allerdings hieß es, der Zeitpunkt sei noch nicht sicher. Ein mit den Vorgängen vertrautes Koalitionsmitglied sagte Reuters, Ziel sei es, der Opposition einen Namen vorzuschlagen, der für diese attraktiv sei.

SPD: Mitglied des Kabinetts scheidet als Kandidat aus

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier sagte in der ARD: "Wenn wir uns verständigen wollen, dann kann das kein Mitglied des Kabinetts sein." Die Koalition müsse sich mehr Mühe geben und "etwas breiter gucken". Auch der Grünen-Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin sagte, es dürfe kein Angehöriger des Kabinetts sein. In der Koalition war unter anderen Verteidigungsminister Thomas de Maiziere als Kandidat gehandelt worden. Genannt wurden auch Finanzminister Wolfgang Schäuble und Arbeitsministerin Ursula von der Leyen.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel und Steinmeier sprachen sich für Gauck aus. "Er ist nach wie vor unser Favorit für dieses Amt", sagte Gabriel der "Bild am Sonntag". In den Gesprächen mit der Koalition wolle die SPD für ihn werben, aber nicht auf ihn beharren. Der 72-jährige ehemalige Chef der Stasi-Unterlagenbehörde wurde im Jahr 2010 nach dem überraschenden Rückritt von Bundespräsident Horst Köhler von SPD und Grünen als Kandidat gegen Wulff ins Rennen geschickt.

In Teilen der FDP fand der Vorschlag Zuspruch. "Die Menschen brauchen vor allem wieder Vertrauen in das Amt des Präsidenten - und das bekommen sie mit einem Kandidaten Joachim Gauck. Ich würde ihn sofort wählen", sagte der FDP-Fraktionsvorsitzende im schleswig-holsteinischen Landtag, Wolfgang Kubicki, dem "Hamburger Abendblatt". Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Peter Altmaier, forderte SPD und Grüne im Deutschlandfunk auf, ohne Vorbedingungen in die Gespräche mit der Koalition zu gehen. Auch Unionsfraktionschef Volker Kauder sagte der "Bild am Sonntag", einen Kandidaten von Gnaden der SPD werde es nicht geben. Über Gauck heißt es, in der Union gebe es deutliche Vorbehalte gegen ihn.

FDP-Kreise: Töpfer nicht tragbar

Auch am Samstag gingen die Personalspekulationen weiter. Vom früheren Chef des UN-Umweltprogrammes, Klaus Töpfer, hieß es, er sei für die FDP auf keinen Fall tragbar. Der CDU-Politiker gilt auch bei SPD und Grünen als tragfähig. Im Gespräch war auch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU). Zu den möglichen Kandidaten jenseits des politischen Betriebes zählten der Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, Andreas Voßkuhle, sowie der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber. Nach einem Bericht von Spiegel Online sagte Voßkuhle aber bereits ab.

Während sich CDU, CSU und FDP abstimmten, suchten auf der anderen Seite SPD und Grüne den Schulterschluss. Eine für den Nachmittag angekündigte Pressekonferenz der SPD wurde zu einer gemeinsamen mit den Grünen erweitert. Die Linkspartei blieb bei den gemeinsamen Überlegungen außen vor.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Mehrere Politiker wie die Thüringer Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) sprachen sich für einen parteiübergreifenden Kandidaten aus. Auch in Kreisen der Koalition sowie SPD und Grünen wurde versichert, dass man ein echtes Interesse an einem von allen Parteien getragenen Kandidaten habe. Für Merkel ist ein Konsens in dieser Frage wichtig, da wegen einer hauchdünnen schwarz-gelben Mehrheit in der Bundesversammlung ein nur von ihrer Koalition gestützter Kandidat nicht unbedingt gewählt wird.

DPA · Reuters
jwi/Reuters/DPA