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Nahles-Rücktritt Der Großen Koalition bleiben nur Siechtum oder schneller Tod

Andrea Nahles - Rücktritt - SPD - GroKo
Nach dem Rücktritt von Andrea Nahles muss die Große Koalition eine Antwort darauf finden, wie sie mit ihrer Politik wieder begeistern, aufrütteln und mobilisieren kann
© Picture Alliance
Nach dem Rücktritt von SPD-Chefin Andrea Nahles ist die Regierung am Ende. Sie weiß es. Offen ist nur, ob sie das noch eine Weile leugnet.

Man sitzt sich gegenüber, hat nichts zu sagen, mausetot ist die Beziehung, nur noch gehalten von der Furcht, wie denn das Leben ohne sie wäre. Und draußen vor dem Fenster spazieren die frühlingsfrischen Typen, denen plötzlich alle hinterherrennen. 

So geht es Union und SPD. Nur dass Parteien sich nicht nachts im Bett rumwälzen können, um das Für und Wider ihrer lieblosen Koalition abzuwägen, sondern ihr Elend öffentlich austragen. Sonntagfrüh hat die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles hingeschmissen. Gehörig unter Druck ist auch CDU-Frau Annegret Kramp-Karrenbauer, deren Zukunft gerade noch so leuchtend schien und nun doch eher grau aussieht.

Politik muss begeistern, aufrütteln, mobilisieren

Was nur ist da passiert? Union und SPD haben in der Großen Koalition gemacht, was man halt so macht, wenn man auf die sichere Tour wiedergewählt werden will. Hier ein wenig Baukindergeld verteilt und da ein wenig für die Kitas getan. Geld war ja genug da, zumindest zur Ruhigstellung der Wähler. Klimaschutz? Passt gerade nicht. Man will ja auch niemanden verschrecken und keinen Streit untereinander anfangen. 

Nur funktioniert das nicht mehr, was spätestens die Europawahl gezeigt hat. Zu offenkundig ist, dass die Fridays-for-Future-Jugend eine Antwort braucht und nicht nur ein Beinahe-Video von Philipp Amthor. Dass es in Zeiten politisierter Youtuber nicht mehr reicht, die wichtigsten Provinzfürsten der Partei anzurufen und irgendeine Lösung auszubaldowern. Oder per Fax zu Beratungen der Lage einzuladen. Politik muss begeistern, aufrütteln, mobilisieren. Sich gegenseitig in den Schlaf zu wiegen, kann lange funktionieren, aber nicht ewig. Denn irgendwann passt dann nichts mehr: der Stil nicht, das Personal nicht und die Botschaften erst recht nicht.

Dass es die SPD-Vorsitzende zuerst dahingerafft hat, war zu erwarten. Die Gnadenlosigkeit, mit der die Partei ihre Chefs behandelt, ist legendär. Fast überraschend lange hat sie ihrem Niedergang zugesehen, der sie auf Platz drei im deutschen Parteiensystem geführt hat. Und niemand kann garantieren, dass sie den lange verteidigen wird.

Lang lebe die SPD. Und die CDU gleich mit

Im Moment ist unklar, wie die Politik aussieht, wenn die nächste Woche vorüber ist. Der Großen Koalition aber bleiben nur Siechtum oder Tod. Für das Siechtum spricht, dass nicht alle Politikprofis jubeln bei dem Gedanken an Neuwahlen – und wer kann das jemandem verdenken, der seinen Lebensunterhalt einer der großen Parteien verdankt. Für den schnellen Tod spricht, dass ein Fortbestand der Regierung die einstigen Volksparteien am Ende komplett ruinieren könnte. 

Dabei werden sie noch gebraucht. Sie müssen frischer werden, jünger, digitaler wohl auch, schneller und offener. Alles richtig. Aber man weiß, woher ihre Ideen stammen, woher ihr Geld kommt. Im Parlament machen sie die Gesetze, die darüber entscheiden, ob es gelingt, die Klimaziele zu erreichen. Mit einer Legitimation, die sich auf Wahlergebnisse stützt. Und nicht mit einer Popularität, die mit Videos erzeugt wurde, in denen allerlei Dinge vermarktet werden. Das ist nicht wenig. Es klingt nach Monty Python, ist aber ernst gemeint: Lang lebe die SPD. Und die CDU gleich mit. Am besten fangen sie morgen an, sich zu ändern, damit das klappt.

Andrea Nahles und Martin Schulz sitzen beim SPD-Sonderparteitag 2018 zusammen

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