Neue Straßenverkehrsordnung Vormacht des Autos brechen: Was die Bundesregierung für den Straßenverkehr plant

Ein Bauarbeiter bereitet die Markierung einer Fahrradspur im Straßenverkehr vor
Die neue STVO soll auch Radfahrern im Straßenverkehr mehr Platz im Vergleich zu Autos verschaffen
© Paul Zinken / DPA
Bislang spielt im Straßenverkehr das Auto die erste Geige. Doch das Bundeskabinett hat eine Novelle der Straßenverkehrsordnung beschlossen, die die Vormacht des Autos zurückdrängen soll – zugunsten von Umwelt und Gesundheit. Die konkreten Pläne im Überblick.

Klima- und Umweltschutz sowie die Gesundheit sollen im Straßenverkehr künftig stärker berücksichtigt werden als bislang und die Kommunen sollen dafür mehr Freiräume erhalten. Das Kabinett beschloss am Mittwoch eine entsprechende Novelle der Straßenverkehrsordnung (STVO). Auch städtebauliche Belange werden damit als zusätzliche Ziele ins Straßenverkehrsrecht aufgenommen, wie das Bundeswirtschaftsministerium in Berlin am Mittwoch mitteilte. Der Bundesrat muss dem noch zustimmen.

Kommunen können mit der neuen STVO Verkehrsbeschränkungen allein aus Umwelt-, Klima- und Gesundheitsschutzgründen anordnen, wie das Ministerium erläuterte. Die Sicherheit des Verkehrs und ein zügiges Vorankommen müssten dabei zwar weiter berücksichtigt werden, sie seien aber nicht mehr alleine ausschlaggebend. So könnten die Auswirkungen des Verkehrs auf die Lebensqualität der Menschen, nicht zuletzt auch auf Kinder, bei der Verkehrsplanung jetzt stärker gewichtet werden.

Neuregelungen im Straßenverkehr

Kommunen können den Angaben zufolge mit der neuen STVO dem ÖPNV leichter durch Sonderspuren Vorrecht einräumen, Radwege ausbauen, Spielstraßen einrichten oder einfacher Tempo 30 im Umfeld von Schulen und Kitas anordnen. Die Änderungen im Detail:

Tempo 30

Verkehrsbehörden können künftig leichter Tempo 30 anordnen, speziell im Bereich von Vorfahrtsstraßen, Spielplätze und Schulwegen. Bislang kann Tempo 30 auch angeordnet werden, wenn der Abstand zwischen zwei Tempo-30-Zonen 300 Meter beträgt. Künftig soll der "Lückenschluss" bis 500 Meter Abstand möglich sein.

Anwohnerparken

Bislang war Anwohnerparken nur in Gebieten möglich, in denen "erheblichem Parkdruck" vorgebeugt werden sollte. Künftig dürfen Kommunen auch auch auf Basis von Prognosen Anwohnerparkzonen einrichten, sodass "die negativen Auswirkungen auf die Umwelt und die städtebauliche Situation möglichst gering gehalten werden." Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs müssen laut Beschluss dabei allerdings berücksichtigt werden.

Sonderfahrspuren

Befristet bis zum Ende des Jahres 2028 können Kommunen ausprobieren, ob sich Sonderspuren für bestimmt Mobilitätsformen lohnen – zum Beispiel für Fahrgemeinschaften, Elektro- oder Wasserstofffahrzeuge.

Busspuren

Die neue STVO erleichtert die Einrichtung von Busspuren. "Das schützt den Linienverkehr besser vor Störungen und begünstigt einen geordneten, zügigen Betriebsablauf im öffentlichen Personennahverkehr", erklärt die Bundesregierung zur Novelle.

Mehr Platz für Radfahrer und Fußgänger

Die Kommunen sollen leichter Menschen auf Fahrrädern oder zu Fuß mehr Platz einräumen können. Denn: "Praktische Erfahrungen in den Ländern zeigen, dass diese Maßnahmen spürbar dazu beitragen können, dass der Umwelt- und Klimaschutz sowie der Gesundheitsschutz verbessert oder die geordnete städtebauliche Entwicklung unterstützt werden." Allerdings muss die Straßenverkehrsbehörde darstellen, dass der motorisierte Straßenverkehr und der öffentliche Personennahverkehr dadurch "nicht unangemessen beschränkt werden".

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Fußgängerüberwege

Kommunen dürfen künftig Fußgängerüberwege auch dort einrichten, wo es keine besondere Gefahrenlage gibt. Mit den sicheren "Querungsmöglichkeiten für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen, Ältere und Kinder" sollen Verkehrsbehörden vorausschauend handeln können, um Gefahren für Verkehrsteilnehmer zu verringern.

Ladezonen

Außerdem sollen Ladezonen einheitlich gekennzeichnet werden, weil die unterschiedlichen Kennzeichnungen, die aktuell erlaubt sind, sich nicht "in vollem Umfang bewährt" hätten.

Notbremsassistenten

Zudem soll durch die neue Straßenverkehrsordnung das Ausschalten von Notbremsassistenten für Kraftfahrzeuge über 3,5 Tonnen bei mehr als 30 km/h verboten werden. "Mit dieser technischen Hilfe kann die Anzahl und Schwere von Auffahrunfällen deutlich verringert werden. Das Ausschalten des Systems birgt eine hohe Gefahr für die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer", heißt es auf bundesregierung.de.

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© bitprojects
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Die Bundesregierung hatte bereits im Juni eine Novelle des Straßenverkehrsgesetzes beschlossen – denn die neuen Ziele der Verkehrsplanung müssen zunächst in dem Gesetz verankert werden, bevor sie in die STVO aufgenommen werden können, wie das Ministerium erläuterte. Beide Gesetzgebungsverfahren liefen parallel. Geplant ist, dass beide am 24. November gemeinsam im Bundesrat beraten werden. Dann könnten sie nacheinander in Kraft treten. 

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