"Ich glaube, die SPD hat eine Entscheidung getroffen. Die Entscheidung bedeutet eine neue Parteiführung und hinter der müssen sich nun alle versammeln", sagte Olaf Scholz. Und auch er wolle die neue SPD-Führung von Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans unterstützen. Das gemeinsame Ziel: eine starke SPD. "Alles Gute" den Siegern der Wahl.
30 Sekunden erklärte sich der Vizekanzler nach seiner Niederlage bei der Abstimmung um den neuen Parteivorsitz. Einen Tweet mit gleichem Inhalt schob Scholz wenig später nach. Kurz, schmallippig, betreten, pflichtbewusst. Das war's. Viel mehr war nicht zu hören vom Bundesfinanzminister.
Die SPD-Basis hat ihm die Unterstützung versagt, obwohl man sich im Scholz-Lager sehr sicher war, das Rennen gemeinsam mit Co-Kandidatin Klara Geywitz zu gewinnen. War man sich zu sicher? Oder gar zu "lustlos und arrogant", wie die "Welt" in einem Kommentar attestierte?
Vielleicht eine Mischung aus allem, vielleicht sehnten sich viele SPD-Mitglieder auch einfach mal nach etwas anderem. Fest steht: Olaf Scholz hat sich verzockt – wieder einmal. Denn es ist bei weitem keine Premiere, dass die Pläne und Ideen von Olaf Scholz krachend durchfallen, wenn Basis oder Bevölkerung gefragt werden.
Olaf Scholz holte für SPD absolute Mehrheit
2011 führte er seine SPD bei der Hamburger Bürgerschaftswahl zur absoluten Mehrheit: 48,4 Prozent. Schnell bekam er vom Boulevard den Titel "König Olaf" verliehen. Doch die Regentschaft bekam fast ebenso schnell einen ordentlichen Knacks. Bei einer Volksbefragung 2013 sprach sich die Mehrheit der Hamburger dafür aus, die Energienetze der Hansestadt zurückzukaufen – gegen den ausdrücklichen Wunsch von Scholz ("Vertrauen Sie im Zweifelsfall dem Rat Ihres Bürgermeisters.") und seinem Senat. "Für Olaf Scholz ist die Abstimmung eine herbe Niederlage", schrieb die Nachrichtenagentur DPA.
Und dennoch: Sein Mantra vom "ordentlichen Regieren" führte auch 2015 zu einem ordentlichen Ergebnis für die SPD: 45,6 Prozent. Allerdings war die SPD fortan auf die Grünen als Koalitionspartner angewiesen. Und auch in jener Legislatur sollten die Hamburger einen Plan von Scholz abnicken: die Olympischen Sommerspiele sollten an Alster und Elbe ausgetragen werden. Ein Jahrhundertprojekt, eine riesige Chance, schwärmte man damals im Rathaus. Zweifel – unter anderem an der Finanzierbarkeit – wurden abmoderiert. "Dieses ist die am besten durchgerechnete Bewerbung ever", erklärte Scholz, freilich ohne die Kalkulationen und Absprachen mit dem Bund vollständig vorzulegen.
Doch alle Kampagnen, alle großen Worte zündeten nicht. Es setzte die nächste Klatsche für Scholz und seine Pläne. Beim Referendum am 29. November 2015 sprachen sich 51,6 Prozent gegen Olympische Spiele in Hamburg aus. Das Volk verweigerte seinem "König" erneut die Gefolgschaft.
Was ist die "größte Niederlage" für Olaf Scholz?
Scholz trat – sichtlich enttäuscht – vor die Presse, es gibt Parallelen zum Samstagabend im Willy-Brandt-Haus. "Das ist eine Entscheidung, die ich mir, die sich der Hamburger Senat, die sich die große Mehrheit der Bürgerschaft anders gewünscht hätte, sie ist aber trotzdem klar." Das "Hamburger Abendblatt" unkte von der "größten Niederlage" für den Bürgermeister.
Die ultimative Fehleinschätzung der Stimmung in der Bevölkerung leistete sich Scholz rund anderthalb Jahre später. Der G20-Gipfel sollte Hamburg aufs internationale Parkett heben, strahlende Bilder der Hansestadt sollten um die Welt gehen – so malte man es sich im Hamburger Senat aus. Warnungen wurden weggelächelt. "Es wird Leute geben, die sich am 9. Juli wundern werden, dass der Gipfel schon vorbei ist", kündigte Scholz noch vor dem Treffen an. Das Ende ist bekannt. Abseits der schlimmen Ausschreitungen zeigten Hunderttausende Hamburger auch ohne Referendum, was sie von Olaf Scholz' Idee hielten: nichts. Vom "König" sprach nun keiner mehr. Der Bürgermeister musste die Bewohner seiner Stadt nach den wilden Tagen um Entschuldigung bitten – eine weitere "größte Niederlage" für Olaf Scholz, wie es nicht nur in der Lokalpresse hieß.
Und nun, Ende 2019, verweigert ihm sogar die eigene Partei die Zustimmung. Er, der sich noch im Januar als Kanzlerkandidat (!) für die SPD ins Spiel brachte, kann seine Karrierepläne begraben. Eine weitere, vielleicht wirklich die größte, Niederlage für Olaf Scholz.
Quellen:Phoenix, Tweet von Olaf Scholz, "Welt", "Spiegel", Sport-Informations-Dienst, "Hamburger Abendblatt"