Hochrangige grüne Parteifreunde sagen voraus, dass Sie unmittelbar nach dem Nürnberger Parteitag aus Ihrer Partei nach 20 Jahren Mitgliedschaft austreten und zur CDU wechseln. Stimmt das?
Ich gehe ergebnisoffen zum Parteitag. Meine Entscheidung hängt davon ab, welche politischen Entscheidungen in Nürnberg beschlossen werden.
In Kreisen der baden-württembergischen Grünen wird behauptet, dass man Ihnen für den Fall des Parteiwechsels wenigstens die Rückgabe des Mandats abgerungen hat, weil sonst die CDU im Landtag die absolute Mehrheit hätte.
Abgerungen hat man mir gar nichts. Das war meine eigene Entscheidung. Ich habe meiner Fraktion vergangene Woche mitgeteilt: Wenn ich gehe, werde ich der CDU im Stuttgarter Landtag auf keinen Fall zur Mehrheit verhelfen, sondern mein Mandat als Landtagsabgeordneter zurückgeben. Diese Ankündigung wurde mit Respekt aufgenommen, auch deshalb, weil es leider üblich ist, selbst bei den Grünen, dass die Mandate mitgenommen werden.
Es gibt intern scharfe Kritik an Ihrer Präsenz und ihrer Mitarbeit im Landtag. Nie seien Sie da gewesen, keine Sacharbeit betrieben.
Davon kann keine Rede sein, ich bin im Plenum immer präsent gewesen, ebenso im Finanzsausschuss. Mit einer Ausnahme: Als ich eine Woche im Krankenhaus lag.
Weiter heißt es, die CDU habe Ihnen angeboten, 2009 im Wahlkreis Biberach Anstelle von Franz Romer anzutreten, der dann aufhören will. Das wäre ja ein bombensicherer Wahlkreis in Ihrer Heimat. Und Sie wären endlich wieder zurück auf der bundespolitischen Bühne, wohin Sie sich offensichtlich sehnen.
Von der CDU gibt es keine aktuellen Angebote. Es gab aus dem Biberacher CDU-Kreisverband 2005 entsprechende Anfragen für den Fall, dass Romer 2006 nicht mehr antreten werde. Das war, bevor feststand, dass es vorgezogene Bundestagswahlen gibt. Romer hatte damals seinen Rücktritt für 2006 angekündigt. Kommen Sie zu uns, wurde ich für diesen Fall gebeten. Das habe ich abgelehnt.
Sie sind ja Gast auf dem Nürnberger Parteitag der Grünen. Die zentrale Frage dort wird der Streit sein zwischen einer verbesserten Grundsicherung, also einer aufgestockten Sozialhilfe von künftig etwa 420 Euro für Erwachsene und 300 für Kinder, und dem so genannten bedingungslosen Grundeinkommen in Höhe von etwa 800 Euro im Monat für jeden. Wo stehen Sie in dieser Diskussion?
Das ist die Wahl zwischen Pest und Cholera. Das ist der Grund, weshalb ich kopfschüttelnd vor der Programmatik der eigenen Partei stehe. In den letzten Jahren hat sich bei den Grünen ein Illusionismus eingeschlichen, der überhaupt nicht zu einer Partei passt, die für die Generationen-Gerechtigkeit eintritt. Dazu kann nicht gehören, dass man heute ein unbezahlbares Füllhorn von Leistungen verspricht – egal ob Grundsicherung oder sündhaft teures Grundeinkommen, denn in ihrem Finanzvolumen unterscheiden sich die beiden Vorschläge nicht mehr wesentlich.
Einer der Befürworter dieses Grundeinkommens sagt: „Das Grundeinkommen würde die Menschen von ihren ökonomischen Sorgen befreien und gäbe jedem Bürger den notwendigen Freiraum, sich zu entfalten.“ Wäre doch schön, ein fürwahr anthroposophischer Ansatz.
Ich bin gegen das Grundeinkommen, weil sich der Mensch in der Menschheitsgeschichte schon immer hat rühren müssen, um zu überleben. Ich glaube nicht an ein leistungsloses Einkommen, das wie Manna vom Himmel regnet. Hier wird jenen, die nichts tun, Einkommen versprochen. Und ausgeblendet wird, dass jene, die arbeiten, genau dieses Grundeinkommen erwirtschaften müssen. Das ist doch einfach Unsinn. Das ist Selbstbetrug hoch drei.
Weshalb?
Wir können doch heute schon bei Sozialhilfe-Biografien über Generationen beobachten, dass Menschen, die von Transfereinkommen leben, nicht aktiviert werden. Sozialhilfeempfänger werden keineswegs schöpferisch aktiv. Viele sehen ihren Lebenssinn darin, Kohlehydrate oder Alkohol in sich hinein zu stopfen, vor dem Fernseher zu sitzen und das Gleiche den eigenen Kindern angedeihen zu lassen. Die wachsen dann verdickt und verdummt auf. Wenn das die schöpferische Wirkung des bedingungslosen Grundeinkommens sein soll, das die Menschen davon entbindet, sich um das Existenzminimum zu bemühen und nicht mehr arbeiten zu müssen, dann geht doch die Rechnung nicht auf.
Wie sehen Sie die dafür vorgesehene Finanzierung in Höhe einer dreistelligen Milliardensumme?
Die vorgesehene Finanzierung durch Abbau der Sozialbürokratie ist ebenfalls ein Illusion. Die Sozialbehörden würden dadurch ja überflüssig. Doch dort arbeiten Beamte und Angestellte des Öffentlichen Dienstes, die weitgehend unkündbar sind. Wo soll dann bitte die Einsparung herkommen? Das ist doch Kappes. Außerdem würde man erleben, dass die Preise für Grundnahrungsmittel und des täglichen Konsums ruckzuck teurer werden. Kaufkraftbereinigt endet das dann als Nullsummenspiel.
Als die baden-württembergischen Grünen das Grundeinkommen beschlossen haben, was Sie als Wolkenkuckucksheim bezeichnen, waren Sie gar nicht dabei. Sie kritisieren Ihre Partei von außen, arbeiten aber nicht aktiv mit.
Ich habe das Projekt schon vor einem Jahr massiv kritisiert. Als das Grundeinkommen auf dem letzten Parteitag beschlossen wurde, habe ich nicht aus Jux und Tollerei gefehlt. Zwei Tage lang war ich als Delegierter auf jenem Parteitag, am dritten Tag musste ich die Fraktion auf einer großen Mittelstandskonferenz vertreten, damit dort nicht nur CDU-Vertreter reden. Das wussten alle. Mir das jetzt vorzuhalten, ist doch irgendwie pervers.
Wenn das bedingungslose Grundeinkommen beschlossen wird, treten Sie aus?
Ich bin auf dem Sprung, bin aber noch nicht gesprungen. Ich werde in Nürnberg ja selbst Änderungsanträge stellen, nicht beim Grundeinkommen, denn die Idee ist nicht verbesserbar, aber bei der Grundsicherung. Ich will wissen, wie viel Vernunft ist auf dem Parteitag noch da. Dass ich in der Partei eine Minderheitsposition darstelle, weiß ich schon lang. Dass die Grundsicherung beschlossen wird, davon gehe ich aus, obwohl auch sie eine teure Veranstaltung ist. Für mich entscheidet über meine Zukunft die Qualität der Diskussion.
Was genau heißt das denn nun?
Ich bin mit Sicherheit weiter von der Partei weg denn je. Allerdings fordern mich auch Vorsitzende aus anderen Landesverbänden auf, unbedingt in der Partei zu bleiben. Ich werde die Entscheidung nächste Woche im Licht des Parteitags fällen und sie dann im Kreis Biberach meinen Parteifreunden mitteilen und dann auch auf der Fraktionssitzung in Stuttgart.
Interview: Hans Peter Schütz