Politiker-Nebeneinkünfte Schwedens Abgeordnete haben keine Geheimnisse

Skandale um Nebeneinkünfte von Politikern sind in Schweden und Großbritannien schon lange kein Thema mehr. Ganz im Gegensatz zu Frankreich und Italien, wo windige Geldzahlungen ein bekanntes Phänomen sind.

Es fing an mit den Rücktritten von CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer und dem Chef des CDU-Arbeitnehmerflügels Herman-Josef Arentz. Beide traten aufgrund von umstrittenen Zahlungen des Energiekonzerns RWE im Dezember von ihren politischen Ämtern zurück. Dann folgte Anfang Januar Jann-Peter Janssen. Der SPD-Bundestagsabgeordnete stand als einer von sechs SPD-Politikern auf der Gehaltsliste des VW-Konzerns. Auch er musste dem öffentlichen Druck nachgeben und legte sein Mandat nieder. Und fast tägliche geraten neue Informationen über die Doppelbezüge von Volksvertretern an die Öffentlichkeit. Die Gefahr der Politikverdrossenheit wächst mit jedem neuen Skandal. Doch in den Affären um Nebeneinkünfte liegt auch eine Chance. "Skandale sind immer besondere Chancen für die Lernfähigkeit der Demokratie.", sagt der Landauer Politologe Ulrich Sarcinelli.

Vorbildlich: In Schweden reicht ein simpler Anruf

Einige unserer europäischen Nachbarn haben aus Skandalen bereits gelernt und sind der deutschen Demokratie in punkto Transparenz weit voraus. Allen voran Schweden. Dort reicht ein simpler Anruf beim Steueramt. Auf diese Weise können Schwedens Medien jedes Jahr etwaige Nebeneinkünfte der 349 Reichstagabgeordneten ermitteln. Als Teil des sehr umfassenden schwedischen "Öffentlichkeitsprinzips" sind die Gesamteinkünfte sowie das Vermögen aller Bürger gläsern gegenüber der Öffentlichkeit, ob das nun der Postbote, der Parlamentarier oder auch das Mitglied des Königshauses ist. So kann sich auch jedermann leicht ausrechnen, welcher Abgeordnete neben den nicht sehr üppigen Diäten in Höhe von 46.400 Kronen (5100 Euro) noch dazu verdient.

Seit einem Streit über zweifelhafte Zuverdienste eines konservativen Reichstagsmitgliedes in den neunziger Jahren sollen die Stockholmer Parlamentarier ihre finanziellen Verhältnisse sogar noch weitergehend offen legen als Normalverdiener. Sie müssen aber nicht. Von den 349 Abgeordneten teilen 235 freiwillig mit, von wem sie wie viel Geld für welche Leistung bekommen, und wie viele Aktien sie von namentlich genannten Unternehmen besitzen. So kann sich auch Torbjörn Lindhe vom Stockholmer "Institut gegen Bestechung" nur schwer vorstellen, dass schwedische Reichstagsabgeordnete Geld von früheren Arbeitgebern ohne konkrete Arbeitsleistung annehmen: "Die Grenze zur Bestechung wird bei uns doch ausgesprochen niedrig angesetzt."

In Großbritannien wird Transparenz groß geschrieben

Auch in Großbritannien wird Transparenz hinsichtlich möglicher Nebeneinkünfte von Parlamentariern groß geschrieben. Sogar der Premier musste sich schon mit Korruptionsvorwürfen auseinandersetzen. Tony Blair wurde erst kürzlich eine Untersuchung angedroht. Der Grund: Er hatte Urlaub auf dem Schloss eines befreundeten Industriellen in Frankreich gemacht. Der Beauftragte des Unterhauses in London für ethische Standards, Sir Philip Mawer, hatte den Premierminister in einem Brief gefragt, warum er dem Parlament die Reise nicht gemeldet habe.

Seit den 70er Jahren gibt es in dem Vereinigten Königreich ein Register für die Nebeneinkünfte von Parlamentariern, die so genannte "Declaration of Interest". In dieses Verzeichnis muss der jeweilige Abgeordnete etwa Honorare aus Büchern oder Vorträgen, Geld von Unternehmen für Aufsichtsratsposten oder etwa auch die Finanzierung von Reisen eintragen, wenn diese nicht aus der eigenen Tasche bezahlt wurden.

So finden sich in dem Register, das in Teilen auch im Internet nachzulesen ist, beispielsweise die Angaben des Parlamentariers Alan Campbell aus Tynemouth. Er beziffert dort seine Zuwendungen als Vorsitzender einer Interessenvereinigung von Schiffsbauern mit bis zu 10.000 Pfund und benennt außerdem eine Reise nach Frankreich und Spanien unter der Angabe, dass diese von dem Unternehmen Rail Freight Group finanziert wurde.

Nicht zuletzt dieses Transparenzmodell hat dafür gesorgt, dass es in Großbritannien seit Jahren keinen Skandal um Nebeneinkünfte gegeben hat. Tony Blair jedenfalls sah in seiner Reise nach Frankreich keinerlei Interessenkonflikt, weil es sich bei dem Gastgeber um einen alten Freund gehandelt habe und der kurze Aufenthalt auf dessen Schloss ohnehin Teil des Familienurlaubs war. "Alles, was gemeldet werden muss, wird auch gemeldet", hieß es aus der Downing Street.

Französische Wähler erfahren nichts von Abgeordneten-Akten

So vorbildlich und transparent wie in Schweden und Großbritannien, sieht es aber längst nicht bei allen europäischen Parlamentariern aus. Parteienfinanzierung durch Unternehmen, dubiose Kommissionszahlungen an Entscheidungsträger sowie schwarze Kassen für die Selbstbedienung der Politikerkaste - die Franzosen haben auch so ihre Erfahrungen mit "denen in Paris". Keinen verwundert es, dass so manche Politiker - und das bis in hohe Ämter - einen kaum zu bremsenden Hang zu "Nebeneinkünften" haben. Untersuchungsrichter und Gerichte haben noch immer viel damit zu tun, alle Sünden der Vergangenheit aufzuarbeiten. Dabei gibt es durchaus Regeln für das, was Abgeordnete ganz nebenbei noch verdienen dürfen.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Angesichts der Verquickung von Staat und Wirtschaft wurde 1995 gesetzlich festgelegt, dass Politiker keine Spenden von Unternehmen, Organisationen und Verbänden annehmen dürfen. Noch wichtiger ist, dass ein Abgeordneter oder Senator nicht leitend in einem Unternehmen tätig sein darf, das den Staat als wesentlichen Kunden hat. Vor Weihnachten erst wurde vom Verfassungsrat der umstrittene Fall von Serge Dassault geklärt. Der französische Industriemagnat Dassault ist Senator für die bürgerliche UMP von Staatschef Jacques Chirac und Ehrenpräsident beim Flugzeugbauer Dassault Aviation. Der französische Verfassungsrat stufte im Dezember das Mandat und die Unternehmertätigkeit Dassaults "nach Faktenlage" als miteinander vereinbar ein. Dassault durfte Senator bleiben, weil er nicht der Patron von Dassault Aviation ist - der Konzern verdient zur Hälfte durch den Verkauf seiner Militärmaschinen an Frankreich oder an andere Länder.

Nach französischem Recht muss ein Abgeordneter einen Monat nach seinem Amtseintritt der Geschäftsstelle des Parlaments in Paris nachgewiesen haben, dass er sich nebenberuflich von allem befreit hat, was nicht "kompatibel" mit der neuen Aufgabe ist. So darf er nicht mehr in der Chefetage eines Staatsunternehmens sitzen. Außerdem muss er dem Kontrollgremium des Parlaments genau angeben, welche "beruflichen oder gemeinnützigen Aktivitäten" er weiterhin ausüben will. Der Wähler erfährt allerdings nicht, was in der Akte seines Abgeordneten über Nebeneinkünfte steht.

Neben den monatlichen 6735 Euro an Salär durch andere politische Ämter, liegt die Obergrenze für das, was Parlamentarier dazuverdienen dürfen bei 2615 Euro. Aber immer wieder zeigen Schlagzeilen, dass so manch ein Politiker es weiterhin einrichten kann, weit besser über die Runden zu kommen.

Trotz Vorschriften ist in Italien Korruption weit verbreitet

Auch in Italien sind windige Geldzahlungen von Unternehmen an Politiker nicht gerade ein unbekanntes Phänomen. "Wer aber in Rom Nebeneinkünfte nach Art einiger deutscher Abgeordneter erhielte, liefe das Risiko, als Empfänger von Korruptionszahlungen angesehen zu werden", meint der deutsche Politologe und Italienkenner Michael Braun. Was noch lange nicht bedeutet, dass zehn Jahre nach dem Zusammenbruch der italienischen "Schmiergeldrepublik" in dem Land alles zum Besten steht.

Laut Gesetz dürfen römische Abgeordnete einen "zivilen" Beruf ausüben (lediglich Beamte müssen ihren Job ruhen lassen), auch Beraterverträge sind nicht ausgeschlossen. Lediglich hohe Regierungsmitglieder dürfen seit neuestem keine Unternehmen führen. Tatsächlich weisen viele Parlamentarier Nebentätigkeiten auf. Offen legen müssen die Politiker lediglich ihre Steuererklärung, was ihnen einen gewissen Spielraum lässt. "Aber Zahlungen ohne entsprechende Arbeitsleistungen", heißt es im Informationsbüro der römischen Abgeordnetenkammer, "das wären tangenti (Bestechungsgelder)".

Tatsächlich ist die Verquickung von Wirtschaft und Politik mitunter eng in Italien: Führende Rechtsanwälte von Ministerpräsident Silvio Berlusconi etwa sind Abgeordnete im Regierungslager. Anstoß daran nimmt lediglich die Opposition, die breite Öffentlichkeit kaum. "Es gibt aber kein Gesetz, wonach Abgeordnete kein Geld annehmen dürfen", heißt es im Parlament. Dafür ist die Öffentlichkeit illusionslos, was die Korrektheit der Parlamentarier und Politiker angeht. "Korruption besteht und sie ist weit verbreitet", meint ein Mittelstandssprecher.

Deutsche Bundestagsabgeordnete fordern schärfere Vorschriften

Jetzt hat sich auch in Deutschland eine breite Mehrheit im Bundestag für schärfere Vorschriften bei Nebentätigkeiten von Parlamentariern ausgesprochen. Vor einem Spitzengespräch der Fraktionen an diesem Dienstag signalisierte auch die Union ihre Bereitschaft, die von SPD und Grünen geplanten Strafen bei Verstößen mitzutragen. Nur die FDP ist weiterhin strikt gegen Änderungen an der geltenden Praxis.

Grundsätzlich dürfen deutsche Mandatsträger einem Nebenberuf nachgehen. Laut Bundesverfassungsgericht, sollen deutsche Parlamentarier nicht nur ein Einkommen vom Staat erhalten sollen, sondern auch ihrem Beruf weiter nachgehen dürfen. Politikerdasein, Beruf und sonstige Tätigkeiten sollen sich nach Ansicht des obersten Gerichts nicht ausschließen. Entsprechend sind auch die derzeitigen Regelungen zu den Nebeneinkünften ausgestaltet. Sie finden sich im Abgeordnetengesetz, der Geschäftsordnung des Bundestags (GO) und seinen Anlagen wieder.

Zahlungen von Unternehmen ohne Gegenleistung sind aber auch nach gegenwärtiger Rechtslage anzeigepflichtig. Das ergibt sich aus dem Abgeordnetengesetz. Darum ging es unter anderem im Fall des zurückgetretenen SPD-Abgeordneten Jann-Peter Janssen, der ohne Arbeitsleistung weiter von VW Gehalt bezog. Schärfer sind die Anzeigepflichten bei den übrigen Nebentätigkeiten, etwa "Tätigkeiten als Mitglied eines Aufsichtsrats". Hier sind im Kern auch die Einkünfte mitteilungspflichtig. Das gilt auch für das Salär für Gutachten oder Vorträge. Die Öffentlichkeit erfährt nur die schlichte Tätigkeit, nicht die Höhe der Einkünfte.

DPA
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