Porträt Die Schlüsselfigur Müntefering

Nach dem Rückzug von Gerhard Schröder war Franz Müntefering in der SPD die Nummer Eins. Der Generalsekretär galt als sozialdemokratische Symbolfigur. Nun hat er seinen Rückzug angekündigt.

Franz Müntefering, der designierte Vizekanzler und Arbeitsminister einer großen Koalition, hatte sich die Verjüngung der SPD-Spitze erst für die nächsten vier oder fünf Jahre vorgenommen. "Das geht nun ein bisschen schneller", kommentierte der 65-jährige Noch-Parteichef nach seiner schweren Niederlage im Parteivorstand trocken. "Das muss ja nicht schlecht sein." Den SPD-Spitzengremien hatte Müntefering kurz vorher schon seinen baldigen Rückzug angekündigt.

Mit Müntefering als Vizekanzler sollte der sozialdemokratische Anteil innerhalb der großen Koalition deutlich herausgestellt werden. Mit dem Abschied von Bundeskanzler Gerhard Schröder von der Macht schien Müntefering auch in der Außendarstellung der SPD unangefochten und mit Abstand die Nummer Eins zu sein. Innerhalb der Partei war er das schon seit langem.

Architekt des Wahlerfolges von Schröder

Als Schröder im März 2004 den Parteivorsitz abgab, wählten die Sozialdemokraten Müntefering mit 95,1 Prozent zu seinem Nachfolger - das beste Ergebnis für einen SPD-Chef seit 1991. Als Bundesgeschäftsführer der SPD gehörte er von 1995 bis 1998 zu den Mitbegründern des Wiedererstarkens der Sozialdemokraten und damit auch zu den Architekten des Wahlerfolges von Schröder.

Als es im ersten rot-grünen Regierungsjahr kräftig hakte, und die politischen Erfolge ausblieben, verließ Müntefering im September 1999 seinen Kabinettsposten als Verkehrs- und Bauminister und übernahm die erstmals geschaffene Funktion eines SPD-Generalsekretärs. Seit September 2002 führte er die SPD-Bundestagsfraktion. Er galt stets als Schlüsselfigur für den Zusammenhalt der Partei - auch in den turbulenten Auseinandersetzungen um die Hartz-Reformen.

Münteferings politische Heimat ist der mächtige SPD-Landesverband Nordrhein-Westfalen, den er vor seinem Wechsel in die Bundespolitik lange Zeit geführt hatte. Der gebürtige Sauerländer ist verheiratet und hat zwei erwachsene Töchter.

Chronologie seiner politischen Karriere

Der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering (65) trat 1966 in die Partei ein und engagierte sich zunächst bei den Jusos. Wichtige Daten seiner Politiker-Karriere:

Juni 1975

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

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: Müntefering wird erstmals Mitglied des Bundestages und gehört ihm durchgängig bis 1992 an. 1998 erhält er erneut ein Mandat.

1985

: Als wohnungsbaupolitischer Sprecher kann er sich in der SPD- Fraktion profilieren. Bis 1990 bleibt er im Amt.

1991

: Nach seiner Wahl zu einem der Parlamentarischen Geschäftsführer zählt Müntefering bis 1992 zur Fraktionsführung. Außerdem wird er in den Parteivorstand gewählt.

Juni 1992

: Mit 97,3 Prozent der Stimmen wird Müntefering an die Spitze des SPD-Bezirks Westliches Westfalen gewählt.

Dezember 1992

: Als Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales wechselt Müntefering in die nordrhein-westfälische Landesregierung. Nach der Landtagswahl im Mai 1995 wird er in seinem Amt bestätigt.

Oktober 1995

: Müntefering wird, zunächst kommissarisch, SPD- Bundesgeschäftsführer in Bonn. Im November wird er formell gewählt. Er behält sein Mandat im NRW-Landtag und bleibt Bezirksvorsitzender.

1998

: Im Bundestagswahlkampf zählt Müntefering zum Kernteam um SPD-Kanzlerkandidat Gerhard Schröder.

Oktober 1998

: Im ersten rot-grünen Kabinett unter Kanzler Schröder wird er Verkehrsminister. Wegen Milliardenlöcher im Etat hat er wenig Gestaltungsraum.

September 1999

: Das SPD-Präsidium bestimmt Müntefering für das neu geschaffene Amt des Generalsekretärs. Im Dezember wird er mit 94,6 Prozent der Stimmen gewählt. Seinen Ministerposten gibt er ab.

September 2001

: Nach einer Bundestagsabstimmung über die Beteiligung der Bundeswehr am Mazedonieneinsatz übt Müntefering Druck auf die 19 Nein-Sager aus der SPD aus. Es hagelt Kritik.

November 2001

: Müntefering wird als Generalsekretär bestätigt.

September 2002

: Nach der von Rot-Grün gewonnenen Bundestagswahl wählt die SPD-Fraktion ihn zum Vorsitzenden.

März 2004

: Nach Wahlniederlagen und innerparteilicher Kritik gibt Kanzler Schröder sein Amt als Parteivorsitzender an Müntefering ab.

April 2005

: Müntefering stößt mit scharfer Kritik am Kapitalismus und überzogenen Managergehältern eine Debatte an. Sein Vergleich von Finanzinvestoren mit Heuschrecken sorgt für Aufsehen.

Mai 2005

: Unmittelbar nach der schweren Wahlniederlage für die SPD bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen kündigt Müntefering nach Absprache mit Schröder eine vorgezogene Bundestagswahl an.

Juli 2005

: Bei der gewollt verlorenen Vertrauensfrage von Kanzler Schröder folgt nur ein Teil der Abgeordneten von SPD und Grünen Münteferings Empfehlung, sich der Stimme zu enthalten.

September 2005

: Zwei Tage nach der vorgezogenen Bundestagswahl wird Müntefering als Fraktionsvorsitzender bestätigt.

Oktober 2005

: Im Rahmen der Koalitionsverhandlungen stellt Müntefering die SPD-Minister für eine schwarz-rote Regierung vor. Er selbst soll Vizekanzler und Minister für Arbeit und Soziales werden. Als künftigen Generalsekretär schlägt er Kajo Wasserhövel vor.

31. Oktober 2005

: Nachdem sich Müntefering mit seinem Personalvorschlag für das Amt des Generalsekretärs nicht durchsetzen kann, kündigt er seinen Rückzug als Parteivorsitzender an. Er lässt offen, ob er sich an einer großen Koalition beteiligt.

DPA
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