Souveräne Siege für die Amtsinhaber, krachende Niederlage für die CDU: Bei den Landtagswahlen zum Auftakt des Superwahljahrs haben sich die Grünen in Baden-Württemberg und die SPD in Rheinland-Pfalz klar als stärkste Kraft behauptet. Sechs Monate vor der Bundestagswahl stürzte die CDU mit ihrem neuen Parteichef Armin Laschet auf historisch schlechte Ergebnisse ab. In beiden Ländern könnten SPD, FDP und Grüne Hochrechnungen zufolge nun ein Ampel-Bündnis schmieden –und die CDU als je zweitstärkste Kraft außen vor lassen. In der Union wachsen Befürchtungen, dies könne ein Signal auch für den Bund sein. Das denken auch viele Kommentatoren in deutschen Medien. Die Presseschau:
"Süddeutsche Zeitung": "Für die Bundestagswahl lässt sich nicht allzu viel ableiten. Der Unterschied zwischen den beiden Vertrauensabstimmungen vom Sonntag und jener im September ist: Bei Landtagswahlen stellen die Leute ihre Grundüberzeugungen schon mal hintan, sofern ihnen das Personal der eigentlich nicht präferierten Partei besser zusagt. Deshalb halten sich Grüne und SPD in den christdemokratisch geprägten Ländern Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz an der Macht. Geht es jedoch um den Bund, bleiben tiefsitzende Grundüberzeugungen dominierend. Die SPD könnte sogar Malu Dreyer als Kanzlerkandidatin nominieren, ihre Herzlichkeit wäre auch im Erzgebirge und im Allgäu einnehmend – aber ob es etwas nützen würde?"
"Die Welt": "Natürlich sind Landtagswahlen noch keine Bundestagswahl. Und Armin Laschet ist erst seit wenigen Wochen CDU-Vorsitzender. Da kann man sich durchaus damit trösten, dass die Verluste in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg wenig mit seiner Parteiführung zu tun haben, wie es nun einige Christdemokraten tun. Andererseits: Aufbruchstimmung hat Laschet auch nicht verströmt. Anfangs war die vielleicht auch gar nicht sonderlich gefragt, denn dann wäre zu sehr ins öffentliche Bewusstsein gerückt, dass die CDU bald eine CDU ohne Merkel ist. Es war Merkels Ansehen als Krisenkanzlerin, das die Partei in den Umfragen nach oben katapultiert hatte. Dann aber kam das Impfdesaster und das Testfiasko. Die Bundesregierung vertat die Chance und vertut sie immer noch, diese Mittel zu nutzen, um schnell Alternativen zu einem Leben im Lockdown zu schaffen. Und plötzlich stellt sich die Frage, ob die CDU, deren Zweitnamen 'Regierungspartei' und 'Kanzlerwahlverein' sind, wirklich regierungsfähig ist?"
"Zeit Online": "Historisch schlechte Ergebnisse im einstigen Stammland Baden-Württemberg und auch im ländlichen Rheinland-Pfalz: Das ist ein Desaster für die CDU. Und zwar nicht nur wegen des Maskenskandals, der natürlich zur Unzeit für die ohnehin schwachen Kandidaten Susanne Eisenmann (Baden-Württemberg) und Christian Baldauf (Rheinland-Pfalz) kam. Möglicherweise haben die Briefwähler, die ihre Stimme für die CDU bereits vor Wochen abschickten, sogar Schlimmeres für die Partei verhindert. Im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin wissen sie: Nach vielen Jahren des selbstverständlichen Machtanspruchs droht jetzt die Stimmung auch bundesweit zu drehen. Hastig verfasste Ehrenerklärungen der Abgeordneten helfen da nichts: Seit der sogenannten Maskenaffäre geht es um nicht weniger als die Redlichkeit und Glaubwürdigkeit der CDU. Wenn moralische Fragen ins Spiel kommen, dann kann es in der Politik schnell existenziell werden."
"Leipziger Volkszeitung": "Der neue CDU-Chef Armin Laschet konnte den Wahlkämpfenden keinen Rückenwind geben. Von seinem Start als neuer Parteichef ist kein positiver Impuls für die Partei ausgegangen. Im Gegenteil: Die CDU verliert zurzeit in den bundesweiten Umfragen an Boden. Diese Landtagswahlen sind ein Denkzettel der Wähler an die CDU. Es wird Zeit, dass die Partei aufwacht. Die Sozialdemokraten haben schon einen Kanzlerkandidaten und ein Wahlprogramm, und die Grünen stellen in dieser Woche ein Wahlprogramm vor. Bei der Union hingegen ist nur sicher, dass ihr Garant für Mehrheiten, Kanzlerin Angela Merkel, nicht noch einmal antreten wird. Armin Laschet steht mit dem Rücken zur Wand."
"Kölnische Rundschau": "Solange Kanzlerin Angela Merkel kandidierte, blieb die Union in einer Schlüsselposition, weil unter den demokratischen Parteien keine Mehrheitsbildung gegen sie möglich war. Doch was ist nach Merkel? Wird sich das ändern? Für die CDU hat gestern das große Zittern begonnen. Der neuen CDU-Chef Armin Laschet verlebte keinen schönen Abend. Profilierte Politiker gewinnen Wahlen. Das ist eine klare Lehre aus diesem Urnengang. Und hier liegt allen nach allen Umfragen CSU-Chef Markus Söder bei der Frage der Kanzlerkandidatur deutlich vor Laschet. Mit den Ergebnissen von gestern ist der Startschuss für ein spannendes Wahljahr gefallen."
"Tagesspiegel": "Die Christdemokraten bekommen mit den beiden Wahlen klar vor Augen geführt, dass ihr politisches Personal sie noch nicht in die Post-Merkel-Ära tragen kann. Im Bundeskabinett stellt sie aktuell zumindest keine Hoffnungsträger, jedenfalls nicht mehr. Gesundheitsminister Spahn kann diese Rolle nicht mehr besetzen. Bleiben die Länder. Bleiben Laschet und Söder. Beide können für sich immerhin behaupten, anschlussfähig an die Grünen genauso wie FDP und SPD zu sein. Aber von dieser Frage sollte sich die Partei gar nicht leiten lassen bei der Kandidatenkür. Es geht nur noch darum, wer die größten Erfolgsaussichten bei den Wählerinnen und Wählern hat. Am Ende kann es auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit den Grünen hinauslaufen. Und dabei wird es dann erst recht auf den Kanzlerkandidaten ankommen. Allerdings auf beiden Seiten."
"Märkische Oderzeitung": "Was die Bundestagsparteien von den Wählern in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz erfahren haben, ist keineswegs eindeutig. Anerkannte, beliebte Persönlichkeiten wurden wiedergewählt. Über die Begeisterung für deren Parteien sagt das wenig aus. Die Grünen sind in dem einen Land stark, in dem anderen ziemlich schwach. Für die SPD muss man nur die Länder vertauschen. Der Höhenflug der AfD scheint beendet zu sein, und die FDP findet zu alter, relativer Stärke zurück. Und die CDU? Die Ergebnisse sind schlecht, keine Frage. Die CDU muss höllisch aufpassen, dass sie nicht die nächste und damit letzte Partei wird, die als Volkspartei ausgedient hat."

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"Die Presse", Wien: "Fast alles ist noch möglich in diesem Wahljahr in Deutschland. Bis auf einen SPD-Triumph. Den stärksten Rückenwind haben derzeit die Grünen, bis ins Kanzleramt wird er sie jedoch kaum tragen. Laschet hat immer noch die besten Karten, wenn er die Nerven behält, Söder still hält, keine neuen Skandale auftauchen und Deutschland bis September geimpft ist. Wenn, wenn, wenn. Der CDU-Chef ist geschwächt."