Programmatische Wende Von der Leyen kratzt am CDU-Familienbild

Die CDU verpasst sich ein neues Programm. Einen der auffälligsten Kurswechsel vollziehen die Christdemokraten bei ihrer Familienpolitik. Die soll nun der veränderten Lebenswirklichkeit angepasst werden.

Lange Zeit wurde das Thema Familienpolitik in den Reihen der ziemlich steifmütterlich behandelt. Mit der neuen Familienministerin und siebenfachen Mutter Ursula von der Leyen weht nun ein neuer Wind in den Reihen der Union. Zu Beginn der Programmdiskussion kündigt Generalsekretär Ronald Pofalla an, das traditionell geprägte CDU-Familienbild zu öffnen. "Wir haben eine völlig veränderte Lebenswirklichkeit der Menschen in Deutschland", sagte der Chef der CDU-Programmkommission im ZDF.

Mehr als die Hälfte der Neugeborenen in den neuen Bundesländern stammen nicht aus Ehen, in den alten Bundesländern seien es 30 Prozent. "Ich glaube, wir müssen uns auch um diese Form des Zusammenlebens kümmern." Er sagte aber, dass keiner in der CDU an der Familie als Keimzelle der Gesellschaft rütteln wolle, auch er nicht. Im Mittelpunkt der Überlegungen müsse das Wohl des Kindes stehen.

Mehr Gewicht auf Erziehung legen

Pofalla sagte, das neue Programm der CDU müsse mehr Gewicht auf Erziehung legen, dabei gehe es um vorschulische Bildung und die Schule selbst.

Die Ministerin selbst stellt am Dienstag den siebten Familienbericht vor. Darin kritisiert von der Leyen die Mütter in Deutschland. "Die geringste Präsenz am Arbeitsmarkt findet sich bei deutschen Müttern, die diese gewonnene Zeit aber nicht in Hausarbeit investieren, sondern in persönliche Freizeit", heißt es in dem Bericht, aus dem die "Rheinische Post" zitiert.

Der Familienbericht moniert zudem die finanziell orientierte Familienpolitik der vergangenen Jahre. "Die finanziellen Aufwendungen haben bis heute nicht dazu beigetragen, dass junge Erwachsene in gleicher Weise wie in Frankreich, Dänemark, Schweden, den Niederlanden und Großbritannien Kinder als Teil einer gemeinsamen Lebensplanung begreifen", so die Zeitung.

Galt lange die Vereinbarkeit von Familie und Beruf als wichtiger Grund, warum die Menschen ihre Kinderwünsche nicht realisieren, sehen die Experten nun mit Sorge, dass auch der Wunsch nach Kindern sinkt. Während in anderen europäischen Ländern "die ideale Familie aus der Sicht der 20- bis 34-jährigen Frauen 2,5 Kinder umfassen sollte, sind es in Ostdeutschland 1,6 und in Westdeutschland 1,7 Kinder. Die jungen Männer gleichen Alters halten 1,5 Kinder für ideal", heißt es weiter.

Andererseits verteidigt von der Leyen Kinderlose gegen den pauschalen Vorwurf des Egoismus’. "Ich denke, der Kinderwunsch scheitert oft an den alltäglichen Hindernissen", sagte die CDU-Politikerin im ZDF-Morgenmagazin. Der Alltag in Deutschland sei einfach nicht so gut organisiert, wie er es sein könnte. Als Beispiel verwies sie auf starre Öffnungszeiten von Kindergärten. "Die sind nicht abgestimmt mit den Arbeitszeiten der Eltern. Manchmal würde eine 20-minütige Verlängerung der Kindergartenöffnungszeit den Alltag ganz erheblich erleichtern."

"Im Ausland ist man schon viel weiter"

Eine erfolgreiche Familienpolitik könne zu einer höheren Geburtenrate führen, sagte die Ministerin mit Verweis auf andere europäische Länder. Dort sei man "viel weiter, was das Zusammenspiel von Beruf und Kindererziehung angeht".

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!

Beim umstrittenen Thema Elterngeld sieht die CDU-Politikerin eine wachsende Zustimmung: "Wir sind auf dem richtigen Weg." Es sei wichtig, dass Eltern sich Zeit für ihr Kind nähmen. "Mit dem Elterngeld wollen wir zeigen, dass es uns was wert ist, wenn sich Vater oder Mutter eine Auszeit vom Beruf nehmen oder aber ihre Arbeitszeit reduzieren."

DPA · Reuters · AP
DPA/AP/Reuters