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Schüsse auf Eritreer Anschlag aus "ganz klar fremdenfeindlichem Motiv" – wieder griff ein Rassist zur Waffe

Das Auto des mutmaßlichen Schützen von Wächtersbach
Polizisten fanden den mutmaßlichen Schützen von Wächtersbach leblos in seinem Auto
© Moritz Pappert / Osthessennews / DPA
Rund 200 Menschen starben seit 1990 infolge rechter Gewalt in Deutschland. Ein 25-Jähriger aus dem hessischen Wächtersbach hätte das nächste Todesopfer sein können, er überlebte die Schüsse nur knapp. Die Polizei geht von einem "fremdenfeindlichen Motiv" aus, muss aber noch viele Fragen beantworten.

Nach dem Tod des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke hat es in Hessen den zweiten mutmaßlich rechtsextremistisch motivierten Mordanschlag binnen acht Wochen gegeben – das Opfer überlebte den Angriff nur knapp.

Die Schüsse fielen nach Polizeiangaben am Montagmittag gegen 13 Uhr in einem Gewerbegebiet in der hessischen Kleinstadt Wächtersbach zwischen Frankfurt und Fulda. Nach derzeitigem Ermittlungsstand fuhr der Schütze dort mit seinem silberfarbenen Toyota an einem 26 jährigen Mann aus Eritrea vorbei und feuerte mehrfach auf ihn. Das Opfer brach schwer verletzt zusammen. Nach Informationen der "Bild"-Zeitung wurde der Eritreer mindestens einmal in den Bauch getroffen. Eine Notoperation im Krankenhaus rettete sein Leben, sein Zustand ist laut Polizei inzwischen stabil. Lebensgefahr bestehe nicht mehr.

Schüsse eines Rechtsextremen in Wächtersbach

Die Polizei leitete eine Großfahndung nach dem Täter ein, zog ihre Kräfte zusammen. Schließlich entdeckten die Beamten den Toyota gegen 16.15 Uhr wenige Kilometer vom Tatort entfernt im Örtchen Biebergemünd, darin: ein lebloser Mann. Er starb wenig später im Krankenhaus. "Wir möchten klarstellen, dass der Tod des mutmaßlichen Schützen nicht von Polizeikräften verursacht wurde", teilte das  hessische Landeskriminalamt mit, um entsprechenden Gerüchten entgegenzutreten. Die Ermittler gehen davon aus, dass sich der Mann selbst erschossen hat.

Bei der anschließenden Durchsuchung der Wohnung des 55-Jährigen im Main-Kinzig-Kreis fanden Ermittler laut "Spiegel" Gegenstände, die auf seine Zugehörigkeit zur rechtsextremen Szene hindeuten. Auch fünf Waffen stellten die Beamten sicher. Sie sollen sich legal im Besitz des mutmaßlichen Schützen befunden haben, darunter waren auch Gewehre und halbautomatische Schusswaffen. Eine weitere Pistole habe der bisher nicht bei der Polizei in Erscheinung getretene Mann kürzlich verkauft. Auch sie wurde beschlagnahmt. Laut "Bild"-Zeitung wurde zudem ein Abschiedsbrief des früheren Lkw-Fahrers entdeckt. "Es war deutlich zu erkennen, dass er mit seinem Leben abgeschlossen hatte", zitiert das Blatt eine Polizistin. "Wir können von Glück sagen, dass es keine weiteren Opfer gab!"

Die hessische Generalstaatsanwaltschaft zog die Ermittlungen inzwischen an sich, "da ein fremdenfeindliches Motiv in Betracht zu ziehen ist", wie die Behörden schon kurz nach der Tag mitteilten.

"Zur falschen Zeit am falschen Ort"

Ein Verdacht, der am Dienstag Gewissheit wurde: Hinter den Schüssen auf den 26-jährigen stehe "ganz klar ein fremdenfeindliches Motiv", teilten die Ermittler am Vormittag in Frankfurt mit. Demnach wählte der mutmaßliche Schütze sein Opfer zufällig aus. Die beiden Männer kannten sich offenbar nicht. Der Eritreer habe sich schlicht "zur falschen Zeit am falschen Ort" aufgehalten – und sollte in der Logik des Täter offenbar allein aufgrund dessen Hautfarbe getötet werden. Es war nach jetzigem Stand eine rassistische Tat.

Die wichtigste Aufgabe für die Ermittler ist es nun – wie im Fall des erschossenen Kasseler Regierungspräsidenten – das Umfeld des Tatverdächtigen genau zu untersuchen. Kontakte, Kommunikation, Vergangenheit. War er in größere fremdenfeindliche Strukturen eingebunden? Gehen weitere Gewalttaten auf sein Konto? Bislang gebe es keine belastbaren Erkenntnisse, wonach der 55-Jährige Kontakte in rechtsextreme Kreise hatte, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Die Ermittlungen stehen jedoch noch am Anfang. "Der Verantwortung, die wir da haben, sind wir uns durchaus bewusst."

NSU-Chronik

Das hessische Landeskriminalamt bittet Zeugen der Tat, sich an hinweis@polizei-hinweise.de oder eine Polizeidienststelle zu wenden.


Sie haben suizidale Gedanken? Hilfe bietet die Telefonseelsorge. Sie ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr unter (0800) 1110111 und (0800) 1110222 erreichbar. Auch eine Beratung über E-Mail ist möglich. Eine Liste mit bundesweiten Hilfsstellen findet sich auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention.


Quellen:Hessisches Landeskriminalamt, "Bild"-Zeitung I, "Bild"-Zeitung II, "Spiegel", Nachrichtenagenturen DPA und AFP

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