SPD-Parteitag Steinbrück zählt bis 161

Kanzler zu werden sei nicht nur für ihn wichtig, sagt SPD-Kandidat Steinbrück. Er will in Deutschland einiges "ins Lot" bringen. Seine Partei liegt in Umfragen zurück. Für die Wende bleiben 161 Tage.

Der in Wahlumfragen abgeschlagene SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat das Ziel bekräftigt, die schwarz-gelbe Bundesregierung im Herbst durch Rot-Grün abzulösen. "Ich will Kanzler der Bundesrepublik Deutschland werden", sagte der 66-Jährige am Sonntag auf dem SPD-Sonderparteitag in Augsburg.

Für diesen gleich zu Beginn seiner Rede formulierten Anspruch klatschten die mehr als 600 Delegierten und die versammelte Führungsspitze minutenlang stehend Applaus. Kanzler zu werden sei nicht allein für ihn wichtig, sagte Steinbrück. Sondern er wolle in Deutschland "einiges wieder ins Lot" bringen. "Auf in den Kampf. Noch 161 Tage. Noch 161 Tage, um zu mobilisieren", rief der Kandidat, dessen Partei dem aktuellen Sonntagstrend zufolge bei 26 Prozent liegt. Die mit Angela Merkel regierende Union käme laut der Umfrage auf 41 Prozent, wäre an diesem Sonntag Wahl.

Er wolle für ein neues soziales Gleichgewicht bei einer guten wirtschaftlichen Entwicklung sorgen, sagte der Herausforderer der Bundeskanzlerin. Viel zu vielen Menschen gehe es schlecht, die Lücke zwischen Reich und Arm sei zu groß, oft zahle sich Tüchtigkeit nicht aus.

Seine Partei wolle den Kapitalismus bändigen und für eine Wiederbelebung der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland sorgen. Die SPD müsse die politische Kraft sein, die den Grundgesetzartikel "Eigentum verpflichtet" wieder zur Geltung bringe, sagte Steinbrück. "Wir müssen die politische Kraft sein, die dem entfesselten Kapitalismus Spiel- und Verkehrsregeln entgegensetzt und Exzesse vermeidet", rief er unter großem Applaus der Delegierten. Ein Spekulant in New York dürfe nie wieder das Ersparte der kleinen Leute irgendwo in Deutschland gefährden. "Wir stehen für weniger Ellenbogenmentalität, weniger Ego. Wir stehen für mehr Zusammenhalt, mehr Zusammenstehen."

Steinbrück verteidigt geplante Steuererhöhungen

Der schwarz-gelben Koalition unter Merkel warf er Versäumnisse vor. Sie habe die Spaltung des Arbeitsmarktes verschärft, folge mit dem Betreuungsgeld einem Familienbild von vorgestern und habe trotz vernünftiger Wirtschaftslage noch einmal 100 Milliarden Euro neue Schulden gemacht. "Keine schöne Bilanz, Frau Merkel", sagte Steinbrück.

Der Kanzlerkandidat verteidigte das Vorhaben, "einige Steuern für einige Starke" zu erhöhen, um etwa die Schuldenbremse einzuhalten und mehr Geld in Kinderbetreuung und Bildung zu investieren. Der gut verdienende Facharbeiter und "Oma ihr klein Häuschen" seien davon nicht betroffen. Den mittelständischen und Familien-Unternehmen versprach Steinbrück, dass ihre Substanz nicht besteuert werde: "Das garantiere ich." Das Steuerkonzept bleibt allerdings #link;http://www.stern.de/politik/deutschland/spd-regierungsprogramm-steinbruecks-gerichtigkeitsattrappen-1996307.html;an vielen Stellen unklar. #

Der Bundesregierung warf Steinbrück vor, leere Versprechungen zu machen: "Die Bundesregierung hat nichts mehr im Regal, aber schöne Schachteln im Schaufenster." Diese seien aber leer und ohne Wert, da eine Lohnuntergrenze statt Mindestlohn oder Lebensleistungsrente statt Solidarrente versprochen würden. Dafür würden "wahllos und folgenlos Feuerwerkskörper gezündet" wie eine Wiedereinführung der Eigenheimzulage oder die Abschaffung des Solidarzuschlages. "Alles Blendwerk, teures Blendwerk", rief Steinbrück. "Deshalb: Abwahl lautet die Parole dieser Bilanz."

Applaus für die Mietbremse

Steinbrück will bei einem Wahlsieg den Kampf gegen zu hohe Mieten zu einem zentralen Thema machen. Er verwies auf das Beispiel eines Studenten, der in Frankfurt vom Vormieter eine Wohnung für 400 Euro übernehmen wollte. Doch der Vermieter habe ihm gesagt, die Wohnung koste nun 520 Euro, zudem müsse er 1200 Euro für die Maklerprovision zahlen.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Die SPD will, dass bei Neuvermietungen nur noch Erhöhungen um zehn Prozent erlaubt sein dürfen, also hier 440 Euro - so würde der Student 960 Euro pro Jahr sparen. Die Maklergebühr solle zudem der Vermieter zahlen, sagte Steinbrück. "Das ist sozialdemokratische Politik", betonte der Politiker, der für seine Pläne für eine Mietenbremse viel Applaus von den Delegierten bekam.

Grünen-Chefin Claudia Roth als Gast in Ausgburg

An dem Parteitag nahm als Gast auch Grünen-Chefin Claudia Roth teil. Die Grünen sorgen sich ob der schwachen SPD-Werte um die erwünschte rot-grüne Koalition. Derzeit hätten von den realistischen Optionen nur eine große Koalition oder ein schwarz-grünes Bündnis eine Mehrheit. Zuletzt hatte SPD-Chef Sigmar Gabriel den Grünen vorgeworfen, bereits heimlich auf ein Bündnis mit der Union zu schielen.

Steinbrück setzt auf eine breite Zustimmung zum Wahlprogramm. "Ich habe diese SPD in den letzten Monaten ausgesprochen geschlossen erlebt, ausgesprochen kampfesfreudig", sagte er vor dem Parteitag in Augsburg. Erstmals flossen auch Vorschläge der Bürger in das Wahlprogramm ein, darunter auch ein Verbot der Privatisierung bei der Wasserversorgung. Insgesamt wurden aus 40.000 Vorschlägen am Ende elf für das Wahlprogramm ausgewählt.

Ärger gab es in Augsburg über eine Äußerung von Außenminister Guido Westerwelle. Der FDP-Politiker hatte den SPD-Wahlkampfslogan "Das Wir entscheidet" mit DDR-Propaganda verglichen. Westerwelle habe die Maske des Außenministers abgelegt und zeige wieder das alte Gesicht des FDP-Generalsekretärs, sagte Gabriel dazu. "Und das kann er von mir aus nach der Bundestagswahl auch wieder werden." Der Slogan war auch kritisiert worden, weil er bereits seit 2007 von einer Zeitarbeitsfirma verwendet wird.

DPA
anb/DPA/AFP