Peter Müssig:
Was ist aus Ihrem im vorigen Jahr vollmundig angekündigtem Einsatz für die Verlängerung des Arbeitslosengeldes für ältere Arbeitslose geworden? Große Worte, keine Taten!
Hier hat es durchaus "Taten" gegeben: Der Vorschlag, dass ältere Arbeitslose, wenn sie 30 Jahre in Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben, mindestens 24 Monate lang Arbeitslosengeld gewährt bekommen, ist innerhalb der CDU aufgegriffen und weiter entwickelt worden. Er wurde auf dem Dresdner Parteitag der CDU beschlossen und ist Teil des Entwurfs des Grundsatzprogramms. Gerade hat ihn die junge Gruppe mit großer Mehrheit in der Unionsfraktion wieder aufgegriffen. Mittlerweile liegt ein Finanzierungsplan für unser Modell vor. Die Verlängerung des Arbeitslosengeldes erreichen wir durch Umschichtungen im System. Trotz mehrfacher Anläufe in der Großen Koalition wird die Umsetzung nach wie vor von der SPD, insbesondere von Franz Müntefering, verhindert.
Team Stairs:
Ich habe mit Interesse Ihre sieben Regeln gelesen. Was tun Sie konkret, um Regel 6 durchzusetzen? Ich erlebe Menschen, die Hartz IV beziehen und parallel "schwarz" arbeiten und dabei recht gut verdienen. Was tun Sie dagegen?
Ich verstehe Ihren Ärger darüber, dass Menschen Leistungen der Solidargemeinschaft in Anspruch nehmen und eben diese Solidargemeinschaft durch Schwarzarbeit hintergehen. Hier sind die Arbeitsagenturen und die Sozialämter gefordert, um diesen Missbrauch aufzudecken und zu beenden. Mein Kenntnisstand ist, dass dies vorangetrieben wird.
Nachholbedarf haben wir tatsächlich bei der Verwirklichung des Prinzips "Keine Leistung ohne Gegenleistung". Aus diesem Grunde bin ich gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen. Und aus dem gleichen Grunde haben wir in Nordrhein-Westfalen ein bundesweit vorbildliches Kombilohn-Modell gestartet. Damit geben wir Menschen, die etwas leisten können, eine Chance, wieder auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen und sich erneut mit ihren Fähigkeiten und Fertigkeiten einzubringen. Auf der anderen Seite übt ein solches Angebot auch einen gewissen Druck auf alle Leistungsfähigen Hartz-IV-Empfänger aus, wieder erwerbstätig zu werden. Darüber hinaus plädiere ich seit geraumer Zeit dafür, mehr Arbeitsplätze für Hartz-IV-Empfänger zu schaffen - und zwar solche Arbeitsplätze, von denen wir alle profitieren. Darunter fallen für mich beispielsweise Männer und Frauen, die als Fahrgastbegleiter in Öffentlichen Verkehrsmittel nach dem Rechten sehen.
Andreas Albrecht, München:
Hängt die Glaubwürdigkeit einer sozialen Marktwirtschaft in einer globalisierten Welt nicht auch davon ab, wie sie - die EU - die Menschenrechte im eigenen Hause schützt? Müssen z.B. konkrete Maßnahmen nicht erarbeitet werden, um legale Zuwanderung zu ermöglichen? Warum wird das absolute Folterverbot im Anti-Terrorkampf immer wieder in Frage gestellt? Warum ignorieren weitgehend die EU-Staaten ihre Mitverantwortung für illegale Gefangenenverschleppungen der CIA? Dem Europarat zufolge gab es in Rumänien und Polen CIA-Geheimgefängnisse. Warum warten wir auf klärende Worte, wie die EU die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen und zukünftig verhindern will, dass sich solche Vorgänge wiederholen?
Die Glaubwürdigkeit einer sozialen Marktwirtschaft in einer globalisierten Welt hängt von vielen Faktoren ab, sicher auch vom Schutz der Menschenrechte und von der Bereitschaft, Zuwanderung aus humanitären Gründen zuzulassen. Dabei darf allerdings nicht verkannt werden, dass wir in Deutschland nicht die Möglichkeit haben, alle Flüchtlinge, die aus den verschiedensten Gründen zu uns kommen und bei uns bleiben wollen, in unserem Land aufzunehmen. Die daraus resultierenden Spannungen hielte die Gesellschaft nicht aus.
Im Zeitalter der Globalisierung sollten nationale Zuwanderungsregelungen in gemeinsame Konzepte im Rahmen der Europäischen Union eingebettet sein. Ich sehe hier allerdings Schwierigkeiten, in überschaubarer Zeit zu einer einheitlichen europäischen Zuwanderungsregelung zu kommen.

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick
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In Deutschland gibt es ein absolutes Folterverbot. Das ist gut so und wird auch nicht in Frage gestellt. Wir haben allerdings keinen unmittelbaren Einfluss darauf, wie andere Staaten mit dem Thema Folter umgehen. Die Außenvertretung ist nach der Verfassung nicht Sache der Länder sondern des Bundes. Ich erwarte, dass die, die in der Außenpolitik nach der Verfassungsordnung Verantwortung tragen, etwaige Verstöße gegen das Folterverbot vor und hinter den internationalen Kulissen im Rahmen dessen, was außenpolitisch machbar und angezeigt ist, zur Sprache bringen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat dies bei ihrer China-Reise nachdrücklich getan.
Hans Dieter Becker:
Ich möchte gern wissen, wie es mit uns Rentnern weiter gehen soll. Lohnnebenkosten usw. werden gesenkt - nur wir Rentner haben nichts davon. Es scheint, als ob die Politik uns Alten gar nicht mehr will, oder haben Sie vergessen, dass gerade Ihre Partei von den Alten gewählt wurde? Ich habe den Eindruck, dass die Politiker gar nicht wissen, was draußen abgeht, denn die Preise für alles steigen, ohne dass dies bei den Renten berücksichtigt wird.
Aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Entwicklung in den vergangenen Jahren hatten Arbeitnehmer oft - netto - weniger Geld zur Verfügung. In den vergangenen Jahren stagnierte die Nettolohnentwicklung bzw. war rückläufig. Und die Renten sind bekanntermaßen an das Nettolohnniveau gekoppelt. Sollte es mit der wirtschaftlichen Entwicklung weiter aufwärts gehen, werden die Rentner ebenfalls davon profitieren. Experten (wie z. B. das Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel) äußern sich vorsichtig optimistisch, dass die nächste Rentenanpassung höher ausfallen könnte als die letzte.
Heike Ebbert-Brüggemann, Gescher:
Ich bin 44 Jahre alt und arbeite seit 25 Jahren als Erzieherin. Eigentlich dachte ich, ich bin noch nicht zu alt, aber mit Einzug des neuen Kinderbildungsgesetzes (KIBIZ) werde ich mich wohl auf die Arbeitslosigkeit einstellen müssen, genau wie meine anderen Kolleginnen, die entweder kurz vor dem 50. Lebensjahr stehen oder bereits über 50 Jahre alt sind. Da wir auf dem Land wohnen, wo viele Kinder noch Großeltern haben, werden wohl viele Kinder demnächst aus Kostengründen zuhause bleiben. Die Kopfpauschale pro Kind wird mich und meinen Kollegen wohl den Job kosten. Ich selbst habe vier Kinder und brauche die Arbeit und das Geld. Wie können Sie mir erklären, dass wir demnächst zuhause sitzen werden?
Die Förderung pro Kind beinhaltet die Personalkosten einschließlich Kostenanteilen für Leistungsfreistellungen, Verfügungszeiten und sonstigen Personalkosten. Darunter sind Kosten für Vertretungskräfte, Vergütungen für Berufspraktikantinnen und -praktikanten oder gruppenübergreifende Kräfte zu zählen. Außerdem sind die Sachkosten einbezogen wobei Kaltmieten, die aufgrund bestehender Mietverträge zu entrichten sind, weiterhin spitz abgerechnet werden.
Der Betreuungsschlüssel wird gegenüber dem bisherigen Recht verbessert. Im Konsens mit den Trägern, also auch mit der evangelischen Kirche, wurden die erforderlichen Fachkräfte, Gruppenformen und die finanzielle Ausstattung festgelegt, die sich im KiBiz wieder findet.
Mit der Einführung von Kindpauschalen wird es keinen Abbau von Arbeitsplätzen geben. Die Pauschalen sind so berechnet, dass jede beschäftigte Fachkraft auch weiterhin ihre Tätigkeit ausüben kann. Kein Träger muss aus diesem Grund Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen. Mit der Entlastung kirchlicher Träger gehen wir zudem davon aus, dass befürchtete Einrichtungsschließungen weitgehend vermieden werden können.
Michael Horbach, Köln:
Sind ihre Thesen ein Resultat ihrer humanen und christlichen Überzeugung oder geht es Ihnen vor allem darum, die Helmut-Schmidt-Wähler für die CDU zu gewinnen? Wo ist der Unterschied zwischen ihrer sozialen Marktwirtschaft und dem Sozialismus eines Lafontaine? Würde nicht auch Lafontaine ihren Anspruch "so viel Markwirtschaft wie möglich, so viel Staat wie nötig" unterschreiben, nur dass er dem demokratisch gewählten Staat mehr Verantwortung als den zum Teil marktbeherrschenden Konzernen zugestehen würde als Sie? Wo hört für Sie die soziale Marktwirtschaft auf und wo fängt der Sozialismus an?
Meine Thesen sind in der Tat Resultat meiner christlichen Grundüberzeugung. Die Soziale Marktwirtschaft ist eben eine wertegebundene Ordnung. Sie stellt den einzelnen Menschen in den Mittelpunkt, nicht das Kollektiv. Sie fußt auf dem jüdisch-christlichen Menschenbild und den Werten der Aufklärung und des Humanismus. Sie ist ein Gegenentwurf zu einem rein materialistischen Weltverständnis. Hierin liegt auch der wesentliche Unterschied zu den Positionen eines Oskar Lafontaine. Lafontaines politisches Denken ist durch und durch materialistisch geprägt. Das bedeutet Staatsgläubigkeit und ein Denken in abstrakten Umverteilungsmechanismen. Die Soziale Marktwirtschaft stellt dagegen im Sinne der christlichen Soziallehre den einzelnen Menschen und seine Freiheit in den Mittelpunkt aller politischen Grundsätze.
Deshalb soll der Staat nur dort eingreifen, wo der einzelne sich selbst nicht mehr helfen kann. Deshalb gilt das Subsidiaritätsprinzip, das besagt, dass alles, was vor Ort von den Betroffenen selbst geregelt werden kann, auch dort geregelt werden soll. Deshalb haben wir das Versicherungsprinzip bei der sozialen Vorsorge, mit dem der einzelne verbriefte Ansprüche erwirbt und nicht wie bei einem primär steuerfinanzierten Sozialsystem (das die Linke will) von der Willkür des Staates abhängt. Allerdings gilt auch die Regel, dass die Starken solidarisch mit den Schwachen sein müssen. Das ist in der Sozialen Marktwirtschaft zum Beispiel über das progressive Steuersystem gewährleistet (die obersten zehn Prozent der Einkommensbezieher zahlen immerhin 50 Prozent aller Einkommenssteuern). Diese im christlichen Weltverständnis gründenden Regeln unterscheiden die Soziale Marktwirtschaft vom Sozialismus eines Oskar Lafontaine. Deshalb glaube ich auch, dass man damit die "Helmut-Schmidt-Wähler" in der SPD erreichen kann.
Franz Josef Sünneke:
Wann kommt die Steuerharmonisierung? Herr Lafontaine machte bereits in einer Rede vor dem Arbeitskreis Wirtschaft und Politik der Friedrich-Ebert-Stiftung am 8. Oktober 1996 darauf aufmerksam, Zitat:"...so fordert die EU-Kommission innerhalb der EU, und darüber hinaus auch für die gesamte OECD, eine Steuerharmonisierung mit der Einführung effektiver Mindeststeuersätze im Bereich der Unternehmenssteuern und der Kapitalertragssteuern. Damit will die Kommission dem schädlichen Steuersenkungswettlauf der Nationalstaaten entgegenwirken"
Zur Bekämpfung unfairen Steuerwettbewerbs wurde auf europäischer Ebene schon einiges erreicht. Mit dem Verhaltenskodex "Unternehmensbesteuerung" haben sich die Mitgliedsstaaten verpflichtet, keine neuen steuerlichen Lockangebote für Steuerausländer einzuführen sowie bestehende Niedrigsteuerangebote abzubauen. Bei den Unternehmenssteuern wird auf europäischer Ebene vorrangig das Ziel der Harmonisierung der Bemessungsgrundlage verfolgt. Derzeit läuft das Vorhaben zur Schaffung einer einheitlichen Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage, d.h. dass die Gewinnermittlung bei Kapitalgesellschaften vereinheitlicht werden soll. Die EU-Kommission ist der Auffassung, dass darüber hinaus eine Harmonisierung von Steuersätzen nicht erforderlich ist. Der Verhaltenskodex sei hierzu ausreichend. Die deutschen Bundesländer sehen das anders. Der Bundesrat hat wiederholt seine Auffassung dargelegt, dass eine vereinheitliche Bemessungsgrundlage allein zu einem ruinösen Steuersenkungswettlauf führen könnte. Die Länder, auch Nordrhein-Westfalen, sprechen sich daher für die Einführung von Mindeststeuersätzen aus, zumindest aber eines Korridors für Steuersätze. Bis dieses Ziel erreicht ist, darf Deutschland im internationalen Wettbewerb den Anschluss nicht verlieren. Mit der Unternehmenssteuerreform 2008 wird bei den Steuersätzen eine Annäherung an andere wirtschaftlich bedeutende Staaten erreicht.
Franz Josef Sünneke:
LKW auf die Schiene - das forderte in den 60er Jahren der frühere Verkehrsminister Georg Leber! Herr Rüttgers, Sie sind noch in der CDU! Wann geschieht hier etwas? Wenn nicht, dann bleiben die CO2-Werte da, wo sie sind!
Die Verkehrsverhältnisse der 60-er Jahre sind wohl kaum mit heute zu vergleichen. Der Güterverkehr ist rasant gewachsen und wird noch wachsen. Wir müssen unsere Stellung als herausragender Logistikstandort erhalten, in dem wir wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen schaffen, die sämtliche Verkehrsträger einschließen und die Lebensqualität betroffener Anwohner stärker berücksichtigen als das in den 60-er Jahren der Fall war. Für Nordrhein-Westfalen ist das wichtig, denn hier laufen ein Viertel des gesamtdeutschen Schienengüterverkehrs in der Bundesrepublik. Im Übrigen ist die CO2-Problematik nicht ein Problem, das allein die Schiene lösen kann.