Die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden fallen in diesem und im nächsten Jahr um 39,5 Milliarden Euro höher aus als erwartet. Das teilte das Bundesfinanzministerium in Berlin nach den Beratungen des Steuerschätzer-Kreises am Tegernsee mit. Die Bundesregierung will die zusätzlichen Steuermilliarden sowie Überschüsse bei den Sozialkosten zum Abbau der Neuverschuldung sowie zur weiteren Senkung der Lohnzusatzkosten verwenden.
Dieses Jahr wird gegenüber der Mai-Steuerschätzung mit einem Plus für den Gesamtstaat von 19,4 Milliarden Euro gerechnet, im kommenden Jahr sind es 20,1 Milliarden Euro. Damit steigen die Steuereinnahmen so stark seit der Wiedervereinigung nicht. Die Staatskassen profitieren 2006/2007 vor allem von der anziehenden Konjunktur und sprudelnden Unternehmensgewinnen.
Für den Bund ergibt sich in diesem Jahr ein zusätzliches Plus von 8,4 Milliarden Euro und im nächsten Jahr von 9,0 Milliarden Euro. Die Länder können mit zusätzlichen Einnahmen von 7,5 Milliarden Euro in diesem Jahr und 7,6 Milliarden Euro im nächsten rechnen. Für die Kommunen gehen die Steuerschätzer von einem zusätzlichen Einnahmeplus in Höhe von 3,9 Milliarden Euro beziehungsweise 4,0 Milliarden Euro aus. Dagegen müssen die EU-Kassen mit Mindereinnahmen von insgesamt 1,1 Milliarden Euro rechnen. Die Koalition will angesichts der Steuermehreinnahmen die Neuverschuldung des Bundes auf den niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung vor 16 Jahren senken. Bürger und Unternehmen sollen zudem beim Arbeitslosenversicherungsbeitrag stärker entlastet werden als bisher geplant.
Eine Spitzenrunde der Koalition einigte sich nach den Worten von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) darauf, die neuen Kredite nächstes Jahr auf 19,6 Milliarden Euro zu begrenzen. Geplant waren bislang 22 Milliarden Euro. Der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung soll ab Januar von 6,5 auf 4,2 Prozent sinken - 0,3 Prozentpunkte mehr als zunächst angedacht. Der Vereinbarung bei Kanzlerin Angela Merkel zufolge will sich die Koalition auch bemühen, schon nächstes Jahr in die Steuerfinanzierung von Kindern in der gesetzlichen Krankenversicherung einzusteigen und nicht erst 2008.
Steinbrück und andere führende Politiker von Union und SPD sprachen von deutlichen Signalen in Richtung Haushaltskonsolidierung, Konjunktur und Arbeitsmarkt. „Das ist die niedrigste Nettokreditaufnahme nach der Wiedervereinigung“, sagte der Minister mit Blick auf 2007. Sie liege knapp unter dem bisherigen Tiefstwert von 1992, was zeige, "dass wir es mit der Konsolidierung ernst meinen". Die stärkere Beitragssatzsenkung bei der Arbeitslosenversicherung entlaste Arbeitnehmer und Arbeitgeber und gebe damit auch für Wachstum und Beschäftigung Impulse. Steinbrück hob hervor, die Koalition habe in den letzten 48 Stunden gleich mehrfach Zeichen ihrer Handlungsfähigkeit gezeigt wie euch die Vereinbarung zur Unternehmenssteuerreform verdeutliche.
Die Haushaltsexperten Steffen Kampeter (CDU) und Carsten Schneider (SPD) stellten allerdings klar, die Entscheidung zur Steuerfinanzierung von Kindern in der gesetzlichen Krankenversicherung sei noch nicht gefallen. Es sei ein Prüfauftrag erteilt worden. Merkel hatte vorgeschlagen, 2007 mehr Steuermittel in das Gesundheitswesen fließen zu lassen, wenn es Spielräume gebe. Steinbrück und andere SPD-Politiker hatten das mit Zurückhaltung aufgenommen. Jetzt bahnt sich offenkundig an, dass Merkels Vorstoß berücksichtigt wird. Mit welcher Summe 2007 der Bund in die stärkere Steuerfinanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung einsteigen könnte, ist nach Angaben aus Koalitionskreisen offen.
Beim Arbeitslosenversicherungsbeitrag musste Steinbrück offenbar darauf verzichten, im Gegenzug den so genannten Aussteuerungsbetrages aufzustocken. Diesen führt die Bundesagentur für Arbeit (BA) quasi als Strafzahlung für jeden nicht vermittelten Langzeitarbeitslosen an den Bund ab. Der Betrag werde nicht angehoben, sagte Kampeter.