Kurz vor dem Höhepunkt der Hochschulproteste am Dienstag hat die Politik reagiert - zum Teil mit Verständnis. "Die konkreten Forderungen der Studierenden, die vor allem darauf gerichtet sind, die Studienbedingungen zu verbessern, sind richtig", sagte der amtierende Chef der Kultusministerkonferenz, Henry Tesch (CDU), der "Bild am Sonntag". Die Unis seien in der Pflicht, auf die Forderungen der Studenten einzugehen. Denn: Studiengebühren blieben zur Verbesserung der Lehre zu 100 Prozent bei den Unis. Außerdem spülten Exzellenz-Initiativen und Forschungsförderungen "Milliarden Euro in die Hochschulen, ohne dass die Länder ihre Bildungsbudgets kürzen".
Vor dem bundesweiten Protesttag am 17. November erklärte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Bildung zu einem beherrschenden Thema der nächsten Wochen und Monate. In ihrer Internet-Botschaft von Samstag kündigte Merkel an, die Regierung werde mit den Ministerpräsidenten der Länder darüber beraten, wie das vereinbarte Ausgaben-Ziel von sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Bildung bis zum Jahr 2015 umgesetzt werden könne. Kurt Beck (SPD) hatte als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz vor zwei Wochen den 16. Dezember als Termin eines solchen Bund-Länder-"Bildungsgipfels" genannt.
Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) sagte dem Magazin "Focus", sie werde in den nächsten Tagen mit den Wissenschaftsministern der Länder sprechen. "Die Studenten haben ein Anrecht zu erfahren, was wir unternehmen, um die Lehre zu verbessern." Der Vorsitzende des Wissenschaftsrats, Peter Strohschneider, räumte am Wochenende "handwerkliche Fehler" bei der Einführung der Bachelor-Studiengänge ein. Dem "Focus" sagte er, die Bachelor-Reform sei zu einseitig auf die Verkürzung von Studienzeiten ausgerichtet gewesen. Gleichzeitig habe sich die finanzielle Ausstattung der Hochschulen weiter verschlechtert. "Die strukturelle Unterfinanzierung ist noch einmal um 15 Prozent gestiegen."
Die SPD begrüßte auf ihrem Bundesparteitag in Dresden die Proteste. Sie sei gegen Studiengebühren und für mehr Chancengleichheit in der Bildung. In den Ländern und im Bund wolle sich die SPD auch für mehr Wahlfreiheit und eine verbesserte Praxisorientierung einsetzen.
Seit Mitte vergangener Woche demonstrieren Studenten an vielen deutschen Universitäten für bessere Studienbedingungen, mehr Freiraum und gegen Studiengebühren. Ihre Proteste begründen sie mit überlasteten Studiengängen, sozialen Ungleichheiten im Bildungssystem, der chronischen Unterfinanzierung der Unis sowie Mängeln bei der Umstellung auf Bachelor- und Master-Abschlüsse.
"Die Studiengebühren, die bleiben", sagte am Samstag Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) vor der Landesversammlung der Jungen Union in Weiden. Er räumte aber Verbesserungsbedarf ein, was die Studienbedingungen und die neuen Bachelor- und Master- Studienabschlüsse angehe. Studenten der Münchener Ludwig-Maximilians- Universität (LMU) hielten indes das Audimax am Wochenende weiter besetzt. Unter anderem in Hamburg, Berlin, Osnabrück, Dresden, Mainz und Landau campierten Studenten über das Wochenende in den Hörsälen.