Umverteilung durch Steuern Obszöner Reichtum in Deutschland

  • von Hans Peter Schütz
Attac und Wohlfahrtsverbände fordern, die oberen Zehntausend in Deutschland stärker in die Pflicht zu nehmen, um die Eurokrise zu bewältigen. Zu Recht.

Es ist schwer zu verstehen, weshalb sich die Bundeskanzlerin, aber auch Union, SPD und FDP, dem Thema einer stärkeren Besteuerung großer Vermögen zur Finanzierung der Schuldenkrise so behutsam nähern. Bei der Kürzungspolitik zeigt sich die Politik, die Linkspartei ausgenommen, erheblich weniger samtpfötig. Dort wird ziemlich rücksichtslos operiert. Der Abbau des Sozialstaats findet allenthalben statt. Aber Nachdenken über die wachsende Ungleichheit in der deutschen Gesellschaft? Nur am Rande.

Dass sich jetzt Attac, Verdi, Paritätischer Wohlfahrtsverband und zahlreiche andere Organisationen zusammengeschlossen haben, um das Thema zu befeuern, ist zu begrüßen. Vielleicht ermutigt das die Politik, endlich jene zur Kasse zu bitten, die sie bislang geschont hat. "Umfairteilen", so die Überschrift über einen geplanten bundesweiten Aktionstag, tut in der Tat not.

50 Milliarden Einnahmeverlust jährlich

Als es darum ging, die Reichen der Republik aufzupäppeln, war die Politik der rot-grünen, der Großen und der schwarz-gelben Koalitionen energisch. Runter, runter, immer weiter runter mit dem Spitzensteuersatz, hieß die Devise. Seit 1998 entgingen dem Staat deshalb geschätzt 50 Milliarden Euro jährlich. Hinzu kommt: Die deutsche Erbschaftssteuer liegt weit unter dem in anderen EU-Ländern üblichen Schnitt. Andererseits beläuft sich der tägliche Vermögenszuwachs von Susanne Klatten, der vermutlich reichsten Deutschen (Aktienpakete BMW und Altana), auf 2,6 Millionen Euro, schätzt das Aktionsbündnis.

Eigentlich müsste sich die Politik schämen: Die Einnahmen der oberen Zehntausend sind so stark gesprudelt sind, dass inzwischen eine ganze Reihe deutscher Millionäre von sich aus eine höhere Besteuerung respektive eine Reichenabgabe einfordert.

Super-Vermögen verteidigt

Das ergibt durchaus Sinn. Denn es ist nicht zu übersehen, dass die Bankenrettung, für die der gemeine Steuerzahler aufkommt, fortlaufend hilft, den Bestand der Super-Vermögen zu verteidigen und zu sichern. Die Schuldenkrise ist auch eine Krise des Steuerstaates, der die Kleinen in Haftung nimmt und bei den Großen seltsam mutlos wird. Dabei liegen die politischen Instrumente auf der Hand: etwa eine Vermögensabgabe, mehr Erbschaftssteuern, höhere Spitzensteuersätzen.

Die Regierung hat die Mehreinnahmen bitter nötig. Deutschland hockt auf über zwei Billionen Euro Schulden, gleichzeitig besitzen Privatpersonen über acht Billionen Euro Vermögen. Solcherlei Verzerrungen sind schon gesellschaftspolitisch kaum hinnehmbar, sie schüren Egoismen jeglicher Art. Ganz und gar unerträglich wird es, sollte uns die Krise eines Tages dazu nötigen, in den Bereichen Soziales, Bildung, Umwelt und Gesundheit abzuspecken, während die Reichen in Ruhe immer reicher werden dürfen.