US-Pläne Furcht vor Eskalation des Iran-Konflikts

Deutsche Politiker zeigen sich bestürzt über die Äußerungen von US-Präsident George Bush zum Atomstreit um den Iran. Neben SPD- und Grünen-Politikern warnen auch Teile der CDU vor einem möglichen Militärschlag der USA.

Nach den jüngsten Drohungen der USA gegen den Iran wächst bei deutschen Politikern die Sorge vor Eskalation des Atomstreits. Am Montag hatte US-Präsident George W. Bush einen Militärschlag gegen den Iran im Streit um dessen Atomprogramm nicht ausgeschlossen. In einem Interview des Fernsehsenders NBC sagte er: "Ich hoffe, wir können das auf diplomatischem Weg regeln, aber ich schließe keine Option aus."

Bush reagierte damit auf einen Artikel des amerikanischen Journalisten Seymour Hersh. Dieser schrieb in der Zeitschrift "The New Yorker", die USA hätten im vorigen Sommer geheime Erkundungskommandos in den Iran geschickt, die dort Informationen über mögliche Angriffsziele gesammelt haben sollen. Der Iran sei "das nächste strategische Ziel", berichtete Hersh unter Berufung auf Mitarbeiter von Streitkräften und Geheimdiensten. Die designierte US-Außenministerin Condoleezza Rice widersprach unterdessen dem Bericht des Reporters Seymour Hersh. Der Artikel sei "durchsetzt mit Fehlern".

Grüne fordern diplomatische Lösung

Dennoch reagierten deutsche Politiker mit Besorgnis auf die Meldungen und mahnten eine diplomatische Lösung an. Grünen-Chefin Claudia Roth warnte eindringlich vor einer Verschärfung der Lage in der gesamten Region. "Die Überlegungen aus Washington sind überhaupt nicht hilfreich", sagte sie am Mittwoch der "Berliner Zeitung". "Wir brauchen diplomatische Lösungen, und keine Androhungen von Gewalt.", so die Grünen-Chefin. Stattdessen solle die USA "die Verhandlungsstrategie der EU" unterstützen.

Ihr Kollege, der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele, nannte die Signale aus Washington höchst alarmierend. "Ich fürchte, dass sich der amerikanische Präsident durch seine Wiederwahl in seiner gesamten Irak-Politik bestätigt und legitimiert sieht und dass er auf einen neuen Krieg gegen den Iran zusteuert", sagte Ströbele. Die Europäer müssten sich geschlossen gegen die Anwendung militärischer Gewalt aussprechen: "Das ist auch Aufgabe deutscher Politik und muss natürlich beim Deutschlandbesuch des amerikanischen Präsidenten angesprochen werden."

Auch der SPD-Außenpolitiker Gernot Erler warnte vor einem Alleingang der USA. "Sollten sich die Berichte über entsprechende US-Pläne bestätigen, wäre dies ein Querschläger für die europäische Verhandlungspolitik gegenüber dem Iran", sagte er der "Berliner Zeitung". Die EU habe bewusst einen Weg eingeschlagen, das Land ohne Drohungen "aus der Ecke herauszuholen". Erler zeigte sich überrascht von den lauen Dementis der US-Regierung. Dies lasse die Befürchtung zu, dass in Washington an der Fortsetzung der unheilvollen Irak-Politik gearbeitet werde.

CDU warnt vor Alleingang

Der Iran-Experte der CDU-Fraktion, Ruprecht Polenz, bemängelte, dass Washington in die Verhandlungen mit Teheran keinerlei politische Angebote einbringe und sich zudem von den Europäern isoliere. "Wir würden viel schneller voran kommen, wenn die Amerikaner nicht mit vor der Brust verschränkten Armen vor den Europäern stehen und nur zuschauen würden", sagte Polenz.

Man dürfe nicht erneut in eine Situation kommen, "wo wir nachher ein gespaltenes Europa und Differenzen zwischen einigen europäischen Staaten und den USA haben", kritisierte auch der CDU-Außenpolitiker Friedbert Pflüger Bushs Äußerungen. "Es wäre vielleicht klug, wenn die Amerikaner nicht nur über mögliche Militärschläge nachdenken würden, sondern wenn sie sich an den diplomatischen Bemühungen der EU etwas stärker und konstruktiver beteiligen", sagte Pflüger am Mittwoch im RBB-Inforadio. Die USA sollten den Versuch machen, sich an einem "konstruktiven Dialog" mit dem Iran zu beteiligen, so Pflüger. Wenn man dem Iran signalisieren würde, hier finde "ein Stück Entdämonisierung" statt, könnte Teheran vielleicht auf seine "Nuklearoption" verzichten.

Unionsfraktionsvize Wolfgang Schäuble warnte dagegen vor einer Dramatisierung der Situation. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Volker Rühe, kritisierte im "Tagesspiegel" die Drohungen der USA, forderte aber gleichzeitig den Iran zur Kooperation auf.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!

Der potenziell gefährlichsten internationalen Konflikte

Die USA und die EU sehen den Streit um das iranische Atomprogramm in der Krisenregion Nahost als einen der potenziell gefährlichsten internationalen Konflikte. Die USA werfen dem Land vor, unter dem Deckmantel eines zivilen Energieprogramms Atomwaffen zu entwickeln, was der Iran bestreitet. Im Auftrag der EU haben Deutschland, Frankreich und Großbritannien eine vorläufige Aussetzung von wichtigen Elementen des Atomprogramms erreicht und verhandeln nun über Garantien gegen eine militärische Nutzung. Die USA betrachten die Verhandlungen mit Skepsis.

Die Internationale Atomenergiebehörde IAEA will unterdessen Diplomaten zufolge erneut eine iranische Militäranlage untersuchen, in der nach Vermutung der USA Tests für die Entwicklung von Atomwaffen stattgefunden haben. In der vergangenen Woche hatte Inspektoren der UN-Behörde dort Proben entnommen, aber offenbar nicht Zutritt zu allen Teilen der Anlage in Parchin erhalten. „Die IAEA möchte dorthin zurückkehren und weitere Proben entnehmen“, sagte Diplomaten am Donnerstag am Sitz der Behörde in Wien.

AP · DPA · Reuters
AP/DPA/Reuters