Der Vorsitzende der CDU-Arbeitnehmerschaft, Karl-Josef Laumann, verschärft seine Kritik an der Unionsstrategie im Bundestagswahlkampf unter der Führung von Kanzlerkandidatin Angela Merkel. Damit nehmen die Forderungen zu, möglichst bald über die Ursachen für die Wahlschlappe von CDU und CSU zu diskutieren.
Laumann, der Chef des Arbeitnehmerflügels CDA und Arbeitsminister in Nordrhein-Westfalen ist, sagte, die CDU sei in vielen Regionen Deutschlands keine Volkspartei mehr, weil sie ihre soziale Wurzel ausradiert habe. Der "Welt" sagte er, in Zukunft müsse verhindert werden, dass die Union noch einmal so an der Lebenswirklichkeit der Menschen vorbeirede wie im jüngsten Bundestagswahlkampf.
Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Christoph Böhr unterstützte die Appelle aus der Jungen Union, über die Gründe für das schlechte Abschneiden der Unionsparteien bald ausführlich zu diskutieren. Dies wiesen aber die designierte Bildungsministerin Annette Schavan und Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus, die als Vertraute von CDU-Chefin Merkel gelten, umgehend zurück.
Laumann einer der ersten Wahlkampf-Kritiker
Laumann hatte unmittelbar nach der Wahl als einer der ersten Sozialexperten von CDU und CSU der Unionsspitze vorgeworfen, die Interessen der Arbeitnehmer im Wahlkampf vernachlässigt zu haben und damit für das überraschend schwache Ergebnis verantwortlich zu sein. Der stellvertretende CSU-Vorsitzende Horst Seehofer schloss sich ihm an. Laumann sagte nun der "Welt", er begrüße die in CDU und CSU heftig umstrittene Berufung Seehofers in Merkels künftiges Bundeskabinett, die CSU-Chef Edmund Stoiber durchgesetzt hatte. Wenn Stoiber seinen Kandidaten Seehofer nicht durchgebracht hätte, wäre "das erste CDU-Bundeskabinett seit 1949 ohne einen christlich-sozialen Politiker gebildet worden", sagte Laumann.
Merkel und Seehofer hatten sich vor rund einem Jahr wegen der von der Unionsspitze geplanten Einführung einer einkommensunabhängigen Gesundheitsprämie zerstritten. Der rheinland-pfälzische CDU-Landesvorsitzende Böhr, der im März zur Landtagswahl antritt, sagte der Zeitung, es werde und es müsse eine Diskussion über das schlechte Wahlergebnis der Union geben. Die Union dürfe nicht versuchen, ihr Abschneiden mit Nebensächlichkeiten zu erklären. Mitunter sei der Eindruck entstanden, dass die Partei vor allem den Unternehmen Gutes tun wolle. Doch das Maß aller Dinge müssten die Menschen sein.
Der Vorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder, will die Wahlanalyse auf dem Deutschlandtag der Jungen Union am Wochenende beginnen. Merkel hatte die Parteispitze aber darauf eingeschworen, die Debatte erst nach der Regierungsbildung zu führen.
Schavan und Althaus unterstützen dagegen Merkels Entscheidung. "Wir haben vereinbart, dass die Analyse erfolgen soll, aber erst unmittelbar nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen", sagte die designierte Bundesbildungsministerin Schavan der "Financial Times Deutschland". "Ich sehe nicht, wie jemand jetzt für beides Zeit haben sollte." Auch Althaus betont, gegenwärtig stehe die Erarbeitung des Koalitionsvertrages im Mittelpunkt.