Sechs Wochen vor der geplanten Bundestagswahl ist die Union in der Wählergunst deutlich gesunken. In der aktuellen Umfrage von Forsa und dem stern kommt die Union auf 42 Prozent der Wählerstimmen und hätte zusammen mit der FDP 49 Prozent. SPD und Grüne kämen zusammen auf 35 Prozent, die SPD erhielte dabei 28 Prozent der Stimmen, die Grünen sieben Prozent. Ein Bündnis aus Rot-Rot-Grün käme auf 47 Prozent. Die Sozialdemokraten können sich dabei um zwei Prozentpunkte verbessern. Die Union verliert drei Punkte. Die Linkspartei bleibt bei zwölf Prozent.
"Haben alle Chancen die Wahl zu gewinnen"
Trotz sinkender Umfragewerte glaubt die Union weiterhin an einen Regierungswechsel gemeinsam mit der FDP. "Wir haben auch nach den jüngsten Meinungsumfragen alle Chancen, die Wahl zusammen mit der FDP zu gewinnen", sagte CDU-Generalsekretär Volker Kauder. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), sprach im RBB-Inforadio von einem "sehr relativen Schwächeln". "Wir liegen 15, 16 Prozent vor der anderen großen Partei." Auf dem "Plateau 42, 43 Prozent" könne man aufbauen.
Der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber hält bei der geplanten Bundestagswahl ein Unions-Ergebnis von bis zu 45 Prozent für möglich. "Unser Potenzial für diese Wahl liegt deutlich über 40 Prozent, bei 42 bis 45 Prozent. Das können und müssen wir erreichen", sagte er dem Stern.
Die Union hat unterdessen die heiße Wahlkampfphase eingeläutet. Kanzlerkandidatin Angela Merkel und Stoiber wollen dabei stärker als bisher die Bilanz der rot-grünen Bundesregierung in den Mittelpunkt stellen. Vor einem Strategietreffen der Parteispitzen von CDU und CSU am Mittwoch in Berlin sagte Merkel, die Bilanz der rot-grünen Regierung dürfe "nicht in Vergessenheit geraten". Stoiber sprach davon, man wolle "die Schlussbilanz der Regierung Schröder deutlicher in den Raum" stellen.
Kompetenzteam wird nicht vor nächster Woche vorgestellt
Bei dem Treffen wollen Merkel und Stoiber mit anderen Spitzenpolitikern beider Parteien über den weiteren Wahlkampf sprechen. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff ging nicht davon aus, dass Merkel bereits die Namen ihres Wahlteams nennen wird, das sie Mitte kommender Woche präsentieren will. Die Führung beider Parteien will sich auch in den kommenden Wochen mehrmals treffen. Zu dem Kreis gehören auch der hessische Ministerpräsident Roland Koch und Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus. Beide kamen am Mittwoch wegen anderer Verpflichtungen nicht zu dem ersten Treffen.
Ob und in welcher Form ein Regierungswechsel stattfindet, der Münchner Soziologe Ulrich Beck befürchtet, dass sich die Lage in Deutschland auch danach nicht bessern wird. "Man ist ratlos. Wir haben eine Wahl zwischen schlimm und schlimmer", sagte er dem stern. Die SPD sei "gespalten, sie weiß gar nicht mehr, ob sie noch eine SPD ist", so Beck.
Bei Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel könne er keine modernen Rezepte erkennen. Wie einst die britische Premierministerin Margaret Thatcher wolle sie den neoliberalen, nationalen Kurs verschärfen und einen neuen Patriotismus verordnen. Das alles aber, so Beck, führe nur "nach unten".

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Beck, der Deutschland an einem "epochalen Übergang wie zu Beginn der Industrialisierung" sieht, wirft der Politik vor, dem derzeitigen großen Wandel gegenüber unempfindlich zu sein. "Sie bleibt auf dem Alten hocken, ignoriert das Neue", so der Sozialwissenschaftler weiter. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement beispielsweise sei für ihn ein Politiker, "der einen völligen Realitätsverlust erlitten hat: Er ist total dem Dogma der Vollbeschäftigung verfallen. Ein Verblendeter."