Wildbad Kreuth And the winner is ... Merkel!

Die CSU hat das Machtvakuum, das Edmund Stoiber hinterlassen hat, noch nicht füllen können, weder mit Personen noch mit Themen. Selbst in Sachen Innere Sicherheit ist die Partei in der Defensive. Die Gewinnerin des Spiels heißt Angela Merkel.

Wenn der bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein über die CSU spricht, wird es schnell holprig. Mal spricht er vom "Orchester", dann vom "Team", schließlich von "vielen Stimmen" und "herausragenden Persönlichkeiten". Ja, wie denn nun? Edmund Stoiber, die alles dominierende Persönlichkeit, ist in der Versenkung verschwunden. Letztes Jahr wurde er an genau dieser Stelle, bei der CSU-Winterklausur in Wildbad Kreuth, gestürzt. Dieses Jahr hatte er einen bizarren Auftritt als Kreuther Geist. Er fuhr im Audi-Geländewagen vor, sagte "Nein, ich bin kein Masochist" und verschwand im Tagungsgebäude. Dort konnte der Ehrenvorsitzende Stoiber erleben, dass die CSU auch ohne ihn auskommt. Aber wie?

Die neuen Protagonisten - allen voran Ministerpräsident Beckstein, CSU-Chef Erwin Huber, Landesgruppenvorsitzender Peter Ramsauer und Parteivize Horst Seehofer - haben sich noch nicht zurechtgeruckelt. Spürbar ist dies an den kleinen Spitzen, die Ramsauer in Richtung Huber abschießt. Spürbar ist es auch an den ständigen öffentlichen Beteuerungen, die Zusammenarbeit in der Führungsspitze sei allererste Sahne. Und dokumentiert ist es durch eine Aussage Seehofers in Wildbad Kreuth: "Wenn neue Spieler kommen, muss die Mannschaft langsam ihr neues Zusammenspiel finden. Der eine macht dann kürzere, der andere längere Schritte. Das Einspielen dauert halt."

Ist das Glas halb voll, oder ist es halb leer? Beckstein will die neue Redefreiheit als Qualität gewertet wissen, viele Abgeordnete sind in der Tat dankbar, dass dem Lautsprecher Stoiber der Saft abgedreht wurde. Aber: Wie soll die CSU ihr Profil schärfen, wenn sie nicht kraftvoll und mit einer Stimme spricht, im Zweifelsfall auch gegen die CDU, die große Schwester? Und wer verhindert, dass sich die Talente gegenseitig beharken, um sich für die Ära nach Beckstein in Position zu bringen? Kanzlerin Angela Merkel kann mit dieser Gemengelage zufrieden sein, eine schwächere CSU macht ihr das Regieren leichter. Zumal die Kräfte der Blauweißen vorerst durch die Kommunal- und Landtagswahlen 2008 gebunden sind. Der Druck auf die CSU-Führungsspitze ist immens. Sie muss in Bayern gewinnen, möglichst ähnlich hoch wie zu Zeiten Stoibers. Das würde den Königsmord im Nachhinein legitimieren.

Es fehlt das Thema

Also muss ein großes, emotionales Thema her. Aber welches? Ausgerechnet in Sachen innere Sicherheit steckt die CSU in einem Dilemma. Geradezu verzweifelt wiesen Huber und Beckstein in Wildbad Kreuth darauf hin, dass die CSU das Copyright auf innere Sicherheit habe - ein Ausdruck des Ärgers darüber, wie es Hessens Ministerpräsident Roland Koch gelungen ist, den brutalen Überfall in der Münchner (!) U-Bahn öffentlichkeitswirksam auszuschlachten. Koch hat sich damit als Obersheriff profiliert, nicht etwa Beckstein. Andererseits kann die CSU nicht ähnlich hart wie Koch argumentieren, weil sie ansonsten indirekt die eigene Polizei und die Sicherheitsorgane kritisieren müsste. Darüber hinaus kursieren in der CSU Zweifel, ob Kochs Kampagne tatsächlich aufgeht. Oder ob sie auch von den Bürgern als Populismus empfunden wird.

Also bleibt der CSU nur, Sachpolitik im eher moderaten Ton vorzutragen: Verschärfung des Strafrechts für Heranwachsende, Errichtung von Erziehungsinternaten, Erleichterung von Abschiebungen. Dass die SPD sich diesen Maßnahmen verweigere, zeige, dass sie "blind ist gegenüber diesen Aufgaben", sagte Parteichef Huber auf der Abschlusspressekonferenz. Rauchwolken entstiegen seinem Mikrofon nicht.

Auch sonst: kaum Aufregerpotential

Die anderen Themen, die in Wildbad Kreuth besprochen wurden, haben kaum Aufregerpotential: Entlastung der Familien zum 1.1.2009, grundgesetzlich verankerte Verschuldungsgrenzen für Bund und Land, große Steuerreform 2010 oder 2011, Nachjustierung der Gesundheits- und der Erbschaftssteuerreform. Huber sagte mit Blick auf die Bundestagswahlen 2009, die CSU wolle sich als "Steuersenkungspartei" profilieren - ein von der FDP geklautes Etikett.

Außerdem will er die Energiepolitik zum Schwerpunkt machen: "Die steigenden Energiepreise sind eine Belastung für die Menschen, aber auch für die Wirtschaft." Das Papier, das die Landesgruppe in Wildbad Kreuth zu diesem Thema verabschiedete, beinhaltet allerdings keine revolutionären Ansätze. Eine Zerschlagung der großen Energiekonzerne, wie von der EU gefordert, ist nicht gewollt, sondern nur "mehr Entflechtung", also eine Rückführung der Beteiligungen an regionalen Versorgern. Außerdem sollen mehr Wettbewerber auf dem Strommarkt zugelassen werden. Würde die CSU nicht weiter auf Atomstrom setzen - die SPD könnte das Papier sicher auch unterschreiben.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Die CSU übt die Zeit nach Stoiber

Der Mythos von Bad Kreuth, der Mantel der Geschichte, die große bundespolitische Schlacht - das alles fiel heuer (leider) aus. Eine neue Truppe, in sich noch etwas unsicher, arbeitet Themen ab und produziert fleißig Positionspapiere. Die CSU übt, wie das so ist, nach Stoiber. Die Kanzlerin wird diese Frage für sich schon beantwortet haben: einfacher.