Liebe Freunde, ich freue mich, dass wir uns nach so langer Zeit, wenn auch aus höchst unerfreulichem Anlass, wiedersehen. Unser Kreis ist klein, sehr klein, und wir treffen uns unter fast konspirativen Umständen. Aber anders wäre das in unserer Partei heute nicht mehr möglich, ohne die Beteiligten einem hohen Risiko für ihr politisches Fortkommen auszusetzen. Volker Kauder und Norbert Röttgen haben mich gebeten, ihr Fernbleiben zu entschuldigen. Die beiden, Sie wissen es nur zu gut, haben sich entschlossen, der Dame aus dem Osten zu dienen - das verlangt vollkommene Hingabe. Umso mehr freue ich mich, dass die letzten Aufrechten unseres Mittelstands gekommen sind, Josef Schlarmann und Michael Fuchs. Ich habe den Freunden aber versprechen müssen, dass darüber Stillschweigen gewahrt wird. Jeder weiß, was ihnen geschieht, wenn es bekannt würde. (Murren, zögerlicher Applaus)
Liebe Freunde, damit sind wir im Thema. Unsere CDU hat keine wirtschaftspolitischen Köpfe mehr. Und sie hat ihre ordnungspolitische Kompetenz verloren. Das ist ein dramatischer Vorgang - wenn auch in der Öffentlichkeit noch nicht recht wahrgenommen. Die CDU hat ihr programmatisches Herz verloren. Die Stelle ist weiß, wo es einmal saß! (Lebhafter Applaus) Ich habe das früher erkannt als andere und Konsequenzen gezogen. Ich wollte mich nicht verbrennen in einem aussichtslosen Kampf gegen die Dame. Die Freunde, die blieben, haben sich unterworfen - oder wurden es. Volker Kauder und Norbert Röttgen habe ich erwähnt. Matthias Wissmann ist zur Autoindustrie geflohen. Roland Koch spielt das Spiel der Dame. Und was Günther Oettinger sich nicht selbst angetan hat durch eine unglückliche Rede, das hat die Dame zupackend vollendet. Er wiegt heute nichts mehr. (Stimmengewirr, Rufe: Wir haben ihn allein gelassen!)
Ich werde bestürmt in diesen Tagen, mich öffentlich gegen die wirtschaftspolitische Entkernung der CDU zu stellen. Manche raten mir wieder, eine eigene Partei zu gründen. Aber ich werde nicht zum Oskar an meiner Partei, wenn ich sie heute auch nicht mehr als solche erkennen kann. Und ich möchte den Feiglingen den Moment der Schande nicht ersparen, wenn sie aus purem Populismus der Verlängerung des Arbeitslosengeldes zustimmen, Arm in Arm mit der linksgewendeten SPD Kurt Becks. Gegen die eigene Überzeugung - das ist die Schande in der Schande. Dass Franz Müntefering einmal als mutigster Reformer erscheinen könnte und die CDU links von ihm steht, das hätte ich mir selbst in den gruseligsten Albträumen von der Dame nicht vorstellen können. Die CDU, liebe Freunde, ist nicht mehr Reformpartei, sie ist weichgespült, prinzipienlos! (Bravorufe, langer Applaus)
Hören Sie die Geräusche? Ludwig Erhard rotiert im Grab. 2009 werden sich fünf sozialdemokratische Parteien balgen: die Linke, SPD, CDU, CSU und Grüne
Sechs Jahrzehnte erfolgreicher Markenprägung sind in einem einzigen Jahr zertrümmert worden. Seit die Dame auf dem Dresdner Parteitag den Vorschlag von Jürgen Rüttgers zum Beschluss erheben ließ, das Arbeitslosengeld für Ältere länger zu zahlen. Sie wissen alle, was ich von Rüttgers halte. "Nichts" wäre noch zu viel gesagt. (Gelächter) Rüttgers schlürft den politischen Gencode des Gegners! (Stürmischer Beifall) Aber die Dame hat sich den Parteitagsbeschluss gegönnt, weil sie darauf setzte, dass die SPD ihn schon blockieren würde in der Koalition. Nun fällt uns unser Beschluss schwer auf die Füße. Wir, die wir 2003 auf dem Leipziger Parteitag noch eine wirtschafts- und sozialpolitische Revolution wollten, kapitulieren nun. Wir verteilen süßes Gift - längeres Arbeitslosengeld, Mindestlöhne ... (Starke Unruhe, Pfuirufe) Ludwig Erhard wusste schon, warum er nie in die CDU eingetreten ist. Hören Sie die Geräusche vom Friedhof? Heute rotiert Erhard im Grab.
Heute ist Horst Köhler unser letzter Unbeirrbarer, der für den Umbau des Sozial- und Steuerstaats kämpft. Heute erscheint die FDP wie der outgesourcte wirtschaftspolitische Arbeitskreis der CDU. Stellen Sie sich vor, unser Wirtschaftsminister Michael Glos wäre Sozialdemokrat - wir würden ihn landauf, landab durch die Industrie- und Handelskammern prügeln! (Starker Beifall, vereinzelte Pfiffe) Meine Prognose ist düster, liebe Freunde. Bei den Wahlen 2009 werden sich fünf sozialdemokratische Parteien balgen: die Linke, die SPD, CDU, CSU und Grüne. Mit der Rettung des Weltklimas mag man einen Nobelpreis gewinnen, aber für "40 plus x" ist das zu wenig! Die Dame setzt auf die gute Konjunktur. Aber unter den Wählern überwiegen schon wieder die Konjunktur-Pessimisten gegenüber den Optimisten: 37 zu 32. Noch im Juli war es umgekehrt: 29 zu 38. Ich weiß, es rumort in der CDU. Mächtig. Aber das Rumoren reicht nicht. Eine Revolte wäre nötig. Haben Sie den Mut dazu! (Dünner Applaus, Rufe: Und du, Friedrich?)