17. Juni 1953 Ein Bauarbeiterstreik wurde zum Volksaufstand

Er war die erste Massenerhebung im Machtbereich der Sowjetunion überhaupt und eines der Schlüsselereignisse der deutsch-deutschen Geschichte. Im Sommer 2003 jährt sich der Aufstand vom 17. Juni zum fünfzigsten Mal. Nach neuesten Angaben sind bis zu 1,5 Millionen Menschen damals auf die Straße gegangen.

Beim Volksaufstand am 17. Juni 1953 sind nach neuesten Angaben bis zu 1,5 Millionen Menschen gegen die damalige DDR-Führung auf die Straße gegangen. Die Proteste flammten in 560 Orten auf, sagte Historiker und Autor Thomas Flemming am Mittwochabend in Berlin bei der Vorstellung seines Buches "Kein Tag der deutschen Einheit 17. Juni 1953". Neben Berlin habe sich auch in Magdeburg, Görlitz und Leipzig starker Widerstand formiert.

"Eine Folge des niedergeschlagenen Aufstandes war der Ausbau des Repressionsapparates gegen die Bevölkerung", sagte Flemming. Der Aufstand habe sich nicht nur gegen die Erhöhung der Arbeitsnormen gerichtet, sondern sei eine "Manifestation des Freiheitswillens" gewesen. Erst nach dem Einsatz russischer Panzer und der Verhängung des Kriegsrechts habe wieder Ruhe in der DDR geherrscht.

Nicht genau belegt werden könne die Zahl der Todesopfer, betonte der Publizist. Schätzungen gingen von 120 Toten aus. Es seien Demonstranten am Potsdamer Platz erschossen worden, es kamen aber auch Mitglieder der kasernierten Volkspolizei zu Tode. Nicht geklärt sei bis heute, ob Sowjetsoldaten wegen Befehlsverweigerung am 17. Juni erschossen wurden, sagte der Autor.

Die im be.bra verlag (Berlin) erschienene Dokumentation ist das Buch zur ARD/ARTE-Sendung, die zum 50. Jahrestag des Volksaufstandes ausgestrahlt werden soll.

Ein Streik entwickelte sich zum Flächenbrand

Der 17. Juni 1953 gilt als Symbol für den Arbeiteraufstand in der DDR. Auslöser war damals ein spontaner Streik auf den Baustellen in der Ost-Berliner Stalinallee. Er richtete sich gegen die Erhöhung der Arbeitsnormen, die die SED auf einer Parteikonferenz beschlossen hatte. Die Proteste weiteten sich schließlich zum politischen Aufstand aus, der erst von der Sowjet-Armee niedergeschlagen wurde.

Ein Zeitungsbericht brachte das Fass zum Überlaufen: Begonnen hatte alles mit einem Bericht in dem DDR-Gewerkschaftsblatt "Tribüne". Als die Arbeiter in der Ausgabe vom 16. Juni eine Rechtfertigung zur gesetzlichen Erhöhung der Arbeitsnormen um 10,3 Prozent lasen, legten sie spontan die Arbeit nieder. Schnell wuchs ein Protestmarsch von mehreren hundert Demonstranten an. Zunächst hieß die Parole noch "Nieder mit den Normen". Für den 17. Juni wurde dann aber bereits zum Generalstreik aufgerufen.

Obwohl das SED-Politbüro noch am Abend die Rücknahme der Normenerhöhung beschloss, griff der Ausstand am nächsten Tag auf alle wichtigen Industriezentren über. Nun forderten die Demonstranten: "Rücktritt der Regierung", "Freiheit für politische Gefangene" und "Freie Wahlen". Die SED-Führung unter Walter Ulbricht war außer Stande, selbst mit den Unruhen fertig zu werden. Daraufhin verhängte die sowjetische Besatzungsmacht den Ausnahmezustand über Ost-Berlin, 13 Bezirks- und 51 Kreisstädte sowie eine Reihe von Landkreisen. Mit dem Einsatz von Panzern wurde die Erhebung niedergeschlagen.

Verhängung des Ausnahmezustands

Befehl des Militärkommandanten des sowjetischen Sektors von Berlin

Betrifft: Erklärung des Ausnahmezustandes im sowjetischen Sektor von Berlin Für die Herbeiführung einer festen öffentlichen Ordnung im sowjetischen Sektor von Berlin wird befohlen:

1. Ab 13.00 Uhr des 17. Juni wird im sowjetischen Sektor von Berlin der Ausnahmezustand verhängt.

2. Alle Demonstrationen, Versammlungen, Kundgebungen und sonstige Menschenansammlungen über 3 Personen werden auf Straßen und Plätzen wie auch in öffentlichen Gebäuden verboten.

3. Jeglicher Verkehr von Fußgängern und der Verkehr von Kraftfahrzeugen und Fahrzeugen wird von 9 Uhr abends bis 5 Uhr morgens verboten.

4. Diejenigen, die gegen diesen Befehl verstoßen, werden nach den Kriegsgesetzen bestraft.

Nach Erkenntnissen der Zentralen Ermittlungsstelle Regierungs- und Vereinigungskriminalität in Berlin kamen damals mindestens 125 Menschen ums Leben. Die DDR-Justiz verhängte mindestens zwei Todesurteile, die auch vollstreckt wurden. Darüber hinaus wurden 1600 Teilnehmer des Aufstands zu teilweise hohen Freiheitsstrafen verurteilt.

DPA