Helmut Kohl wird 80: Am 3. April feiert der Altkanzler Geburtstag. In einem Sonderheft des stern erinnern sich alte Weggefährten, aber auch politische Gegner an ihre gemeinsame Zeit mit dem "Kanzler der Einheit".
Beispielsweise sein Vorgänger Helmut Schmidt. Er erkennt an, dass Kohl im Herbst 1989 "zu großer Form aufgelaufen" sei. In einer Situation, in der erstmals seit 1948/1949 die Zusammenführung der beiden deutschen Nachkriegsstaaten denkbar wurde, habe Kohl "Mut und Intuition" bewiesen. "Er hat seine Sache erstklassig gemacht. Großes Lob von meiner Seite", sagte der Hamburger in der stern-EDITION "Helmut Kohl".
Trotz des Lobes spart der Altkanzler aus Hamburg aber auch nicht an Kritik an seinem Nachfolger aus der Pfalz. Schmidt: "Von März 1983 – da ist er gewählt worden – bis in das Jahr 1989 hinein war er kein herausragender Regierungschef." Hätte es 1988, ein Jahr vor dem Fall der Mauer, Bundestagswahlen gegeben, so hätte es Kohl nach Schmidts Einschätzung schwer gehabt, wiedergewählt zu werden.
Schmidt über Kohls wirtschaftliche Fehler
Auch nach der gelungenen politischen Vereinigung sei Kohl "eine Kette von Fehlern" unterlaufen. Schmidt sagte, es wäre besser gewesen, die D-Mark statt eins zu eins nur drei zu eins umzutauschen, weil dann die DDR-Wirtschaft wettbewerbsfähiger gewesen wäre. Ein "unglaublicher Fehler" sei auch die Treuhandgesellschaft gewesen, "die meinte, was Zukunft zu haben schien, an den Meistbietenden versteigern zu sollen und die anderen dichtzumachen". Schmidt: "So sind viele Fehler zusammengekommen, die dazu führen, dass auch heute noch der Lebensstandard in der ehemaligen DDR unter dem im Westen liegt und dass die Arbeitslosigkeit dort höher ist als in Westdeutschland."
"Etwas kleinlich" nannte Schmidt die Entscheidung des Kanzleramtes, Kohl im vergangenen November kein Bundeswehrflugzeug zur Verfügung zu stellen, um ihn zu den Einheitsfeiern nach Berlin zu holen. Auf die Frage, was er an Stelle von Kohl getan hätte, sagte der auch im Rollstuhl sitzende Schmidt: "Ich wäre mit der Eisenbahn hingefahren."
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Ein anderer Wegbereiter der deutschen Einheit, Michail Gorbatschow, erinnert sich an seine Anfangszeit mit Kohl - und die war nicht immer sonnig. "Weil er heute mein Freund ist, kann ich es ja offen sagen: Es war ein schwerer Anfang", sagte der frühere sowjetische Präsident in der stern-EDITION.
In den ersten Jahren seiner Kanzlerschaft sei Kohl, der am 3. April 80 Jahre alt wird, für die sowjetische Führung "ein Mann der USA" gewesen. "Wenn wir uns mit Vertretern der Bundesrepublik trafen, schien es manchmal, als hörten wir nur Übersetzungen aus dem Englischen", so Gorbatschow in dem Interview. Er habe damals zu einem Trick gegriffen und bei seinen Europareisen bewusst einen Bogen um die Bundesrepublik gemacht. So habe es ausgesehen, als bewege sich Deutschland am Rand der Weltpolitik. Gorbatschow: "Und das hat die Deutschen nervös gemacht".
"Gorbi" und Kohl: Zwei schlechte Hellseher
Geändert habe sich das Verhältnis erst bei seinem ersten persönlichen Zusammentreffen mit Kohl im Oktober 1988 in Moskau. Der Friedensnobelpreisträger in der stern-EDITION: "Er war ganz offen, aufrichtig. Damals spürte ich, dass man diesem Mann vertrauen könnte."
Die beiden seien jedoch "ziemlich schlechte Hellseher" gewesen. Noch vier Monate vor dem Fall der Mauer hätten sie in Bonn die Frage der deutschen Wiedervereinigung zu einer Angelegenheit für das 21. Jahrhundert erklärt. Doch dann habe die Geschichte an Fahrt aufgenommen.
Den einstigen DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker nannte Gorbatschow einen "guten Deutschen": "Er hatte gegen den Faschismus gekämpft. Und viel getan für die Gründung der DDR". Sein Fehler sei allerdings gewesen, dass er bis zuletzt behauptete, er brauche keine Perestrojka, das Schlagwort, unter dem Gorbatschow den Wandel der Sowjetunion und des gesamten Ostblocks einleitete.