Es war ein begrenzter Krieg zwischen nur zwei Mächten, weit ab vom üblichen Weltgeschehen. Aber doch hat er die Geschichte mehr verändert als viele größere Kriege: Vor 100 Jahren wurde mit der Seeschlacht von Tsushima der russisch-japanische Krieg am 27. Mai 1905 entschieden - und die Basis für zwei Revolutionen gelegt, von denen eine die Welt erschütterte.
Begonnen hatte der Krieg am 9. Februar 1904. Japans Flotte griff, wie 37 Jahre später in Pearl Harbor, ohne Kriegserklärung den russischen Hafen Port Arthur an. Um den Flottenstützpunkt in China hatten sich die alte Großmacht Russland und das rasant wachsende Japan seit Jahrzehnten ebenso gestritten wie um die Mandschurei, den reichen Nordosten Chinas. St. Petersburg hatte den Chinesen Schutz vor den "japanischen Affen" (Zar Nikolaus II.) versprochen, 1898 aber Port Arthur gepachtet. Von da gingen die begehrlichen Blicke weiter auf Korea, das die Japaner ebenso in ihren Machtbereich einbeziehen wollten wie die Mandschurei.
Demoralisierte Russen
Bei Kriegsausbruch zeigte sich schnell, dass die Russen schlecht ausgerüstet und noch schlechter geführt waren. So kam es zu der Niederlage bei Mukden, der bis dahin größten Schlacht. Mehr als 600.000 Soldaten standen einander im März 1905 nahe der Hauptstadt der Mandschurei, dem heutigen Shenyang, gegenüber - 50.000 blieben auf dem Schlachtfeld. Es waren zwar auch 16.000 Japaner gefallen, doch die 26.000 Toten, ebenso vielen Verwundeten und 40.000 Gefangenen in den eigenen Reihen demoralisierten die Russen.
Doch den entscheidenden Stoß versetzte die japanische Flotte dem Gegner - nach einer Reihe haarsträubender Fehlentscheidungen der Russen. Das galt besonders für die von Zar Nikolaus entsandte Ostseeflotte. Die Admirale wähnten sich schon auf der Doggerbank von japanischen Fischerbooten umstellt, mitten in der Nordsee. Die riesige Flotte feuerte stundenlang auf den vermuteten Feind - englische Fischerboote. Trotz des schweren Gefechts konnten die Russen nur einen der etwa 30 langsamen und unbewaffneten Trawler versenken. Zwei Fischer starben, die - selbst verursachten - Verluste der Russen waren etwa ebenso hoch.
Der Flottenverband durchfuhr den Atlantik, umschiffte ganz Afrika, durchquerte den Indischen Ozean und hatte schließlich mit 34.000 Kilometern fast den Erdumfang zurückgelegt, als er bei Tsushima von japanischen Schiffen gestellt wurde. Die Japaner schlugen die Russen vernichtend, bevor diese überhaupt in den Krieg eingreifen konnten: St. Petersburg verlor in wenigen Stunden 35 von 38 Schiffen - darunter acht Schlachtschiffe und neun Kreuzer. Fast 5000 Russen starben, mehr als 7000, darunter drei Admiräle, gingen in Gefangenschaft. Sie hatten nicht mehr als drei kleine Torpedoboote der Japaner versenkt.
Friedensnobelpreis für Theodore Roosevelt
Erst nach Tsushima akzeptierte Zar Nikolaus ein Vermittlungsangebot von Theodore Roosevelt, der später für seine Bemühungen als erster US-Präsident den Friedensnobelpreis erhielt. Die Japaner, an der Grenze ihrer Kraft, nahmen den Frieden von Portsmouth an: Russland zog sich aus der Mandschurei zurück, Japan bekam die Halbinsel Liaotung mit Port Arthur und die südliche Hälfte von Sachalin.
Zum ersten Mal in der Neuzeit war eine europäische von einer fremden Macht besiegt worden. Doch auch den Japanern brachte der Sieg kein Glück. Tokio war isoliert und glaubte später, mit der gleichen Taktik auch die USA besiegen zu können. Der Angriff auf Pearl Harbor schlug als Katastrophe auf Japan zurück.
In Russland war mit dem Krieg der Ruf nach Reformen laut geworden. Am 22. Januar 1905, dem als "Blutsonntag in die Geschichte eingegangenen Tag, marschierten Hunderttausende auf das Winterpalais in St. Petersburg. Soldaten schossen in die Menge, Hunderte starben. Zwölf Jahre später folgte, so schrieb Leo Trotzki, "auf die Generalprobe von 1905 die Revolution von 1917", die "Oktoberrevolution".