Falschinformationen für Profit Wie sich Internet-Betrüger an der kanadischen Trucker-Bewegung bereichern

Demonstrant schwenkt Kanada Flagge vor einem parkenden Lkws in Ottawa.
Lkw-Fahrer in Kanadas Hauptstadt Ottawa protestierten seit Wochen gegen die Corona-Maßnahmen der Trudeau-Regierung
© Justin Tang / Picture Alliance
Wie viele moderne Protest-Bewegungen organisieren sich auch die kanadischen "Freedom Convoys" über soziale Medien. Nun zeigt sich: Viele der Facebook-Gruppen lassen sich auf Trickbetrüger aus dem Ausland zurückführen.

Dass sich überregionale Corona-Proteste insbesondere über das Internet und soziale Medien organisieren, ist allgemein bekannt. Wer diese Seiten wiederum organisiert und was die Administrator:innen antreibt, ist dagegen oft unklar. So rätseln Verschwörungstheoretiker:innnen und Ermittlungsbehörden bereits seit mehren Monaten, wer sich hinter dem Synonym "Q" in der "Qanon"-Bewegung versteckt.

Im Falle der kanadischen Trucker-Bewegung − den sogenannten  "Freedom Convoy" − führen Recherchen mehrerer Medien in einigen Fällen zu einer weitaus simpleren Motivation: Geld. Anfang des Monats löschte Facebook dutzende Gruppen, welche die selbsternannte Freiheitsbewegung unterstützten. Nicht wegen dem großen Ausmaß an extremistischen und verschwörungstheoretischen Gedankengut, sondern weil die Gruppen von Internetbetrüger:innen geleitet wurden. Margarita Franklin, eine Sprecherin von Facebooks Mutterkonzern Meta bestätigte die Berichte in der vergangenen Woche gegenüber Medienvertretern: "Wir sehen immer mehr Betrüger, die sich an aktuellen Themen, wie den derzeitigen Protesten, bereichern wollen."

Seit mehreren Wochen blockieren Demonstrant:innen mit Lastwagen und anderen Fahrzeugen die Straßen von Ottawa, um gegen die Corona-Maßnahmen und die Politik der Regierung von Premierminister Justin Trudeau zu protestieren. Zwischenzeitlich wurden auch amerikanische Grenzübergänge blockiert. Am Wochenende hatte die Polizei mit der Räumung der Straßen begonnen.

Die Spur der Betrüger führt ins Ausland

Zwei der größten Facebook-Gruppen der Trucker-Bewegung wurden von einer Marketing Fima aus Bangladesch geleitet. Mehr als 170.000 Menschen folgten den beiden Seiten. Ein weiteres Netzwerk aus 140 gefälschte Nachrichtenseiten ließ sich alleine in die Kleinstadt Veles in Nordmazedonien zurückverfolgen. Andere Facebook-Gruppen hatten ihren Ursprung unter anderem in Vietnam und Rumänien.

Sie alle profitieren durch ein politische Klima in Nordamerika, welches durch Falschinformationen, ein politisch gespaltenes Mediensystem und eine extrem-konservative Themensetzung gekennzeichnet ist. Ausländische Desinformationskampagnen mit politischem Interesse − insbesondere aus Russland − ließen sich bereits in den letzten zwei Wahlkämpfen nachweisen. Die wirtschaftliche Ausbeutung dieser Falschinformationen, welche an die Grundformen der Internet-Kriminalität erinnert, hat in den letzten Monaten ein Wiederaufleben erfahren.  

Für Einwohner:innen wirtschaftsschwacher Nationen kann eine Desinformationskampagne in US-amerikanischen und kanadischen Themengebieten einen großen wirtschaftlichen Nutzen mit sich bringen. Allein auf Facebook finden sich Hunderte Websites, die amerikanische News-Outlets imitieren und sich durch die Werbeeinnahmen finanzieren. Durch eine offen rechtspopulistische Haltung verbreiten sie sich in den sozialen Medien wie ein Lauffeuer. Schließlich wird man hier in der Regel stets mit Nachrichtenbeiträgen konfrontiert, welche die eigene politische Grundhaltung stützen und eine hohe Interaktionsrate verbuchen, unabhängig von der Qualität der Inhalte.

Portale wie die "U.S. Military News" verbreiten Pro-Trump Beiträge und verstricken sich immer wieder in wilde Verschwörungstheorien. Anders als der Name vermuten lässt, kann man die Seite allerdings keineswegs zur amerikanischen Armee oder gar in die USA zurückverfolgen, sondern nach Vietnam. Zusätzlich zur Werbung auf der Seite, werden Einnahmen über Amazon Affiliate-Links und einen misstrauenserweckenden Online-Shop generiert. Einer Analyse des Institute for Strategic Dialogue zufolge, verzeichnet ein solches vietnamesisches Portal rund 1800 US-Dollar pro Monat – das Zehnfache des durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommens.

Trucker-Proteste erreichen die USA

Auch in den Vereinigten Staaten versuchen viele Seiten finanziellen und politischen Profit aus den kanadischen "Freedom Convoys" zu schlagen. Eine ganze Reihe an Facebook-Gruppen der Bewegung konnten Investigativ-Journalist:innen des Magazins Grid auf eine einzelne Frau aus Missouri zurückführen. Die sechs Accounts hatten eine Followerschaft von insgesamt 340.000 Usern und setzen in wenigen Wochen mehrere tausend Beiträge zu den Protesten ab. Auf Anfrage von Grid gab die Frau an, dass ihr Facebook-Account gehacked wurde und sie in keiner Weise mit den Gruppen in Verbindung stehen würde.

Dass sich ein Engagement in der Protest-Bewegung auch in Nordamerika finanziell lohnen kann, beweisen Zahlen der Spendenplattform GoFundMe. Bereits Anfang Februar hatte die kanadische Impfgegner-Kampagne dort 7,2 Millionen US-Dollar über Spenden eingenommen. Die Plattform sperrte darauf den Spendenaufruf, da dieser gegen die Richtlinien des Unternehmens verstoßen würde. Republikanische Politiker:innen aus den Vereinigten Staaten riefen daraufhin zu einem Verfahren gegen die Plattform und deren vermeintliche Cancel Culture auf.

Hochrangige konservative Politiker:innen aus den USA versuchen seit Beginn der "Freedom Convoys" den Trucker-Protest auch auf amerikanische Straßen zu bringen. Sowohl Donald Trump als auch sein heißester Kontrahent auf die Präsidentschaftskandidatur Ron DeSantis riefen dazu auf die Trucker-Proteste zu unterstützen. Entsprechende Gruppen auf Facebook und Telegram hatten bereits vergeblich dazu aufgerufen den Superbowl am vergangenen Wochenende zu blockieren. Nun macht ein neues Datum die Runde. Verschiedene US-Medien berichten, dass die Bewegung am 5. März in einem Konvoi von Kalifornien nach Washington D.C. ziehen will.