Es wird nicht still um den Leoparden. Seit Tagen wächst und wächst der Druck auf Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), sein ok für eine Lieferung der Panzer an die Ukraine zu geben. Kiew fordert seit Langem die Panzer von Deutschland, um sich gegen die russischen Angreifer zu wehren. Bisher sind die dringlichen Appelle aber unerfüllt geblieben.
Nicht einmal bei den Feierlichkeiten zur deutsch-französischen Freundschaft, die runde 60 Jahre geworden ist, kann Scholz der Leopard-Debatte nicht entkommen. Verbunden mit dem Festakt war eine gemeinsame Kabinettssitzung, die aber nur wenige konkrete Ergebnisse brachte. Der Ukraine sagen sie darin "unerschütterliche Unterstützung" zu – auf konkrete Waffensysteme wie Kampfpanzer gehen sie aber nicht ein.
Ein wenig deutlicher wird Frankreichs Präsident Emmanuel Macron dann aber bei einer Pressekonferenz im Anschluss: Er schließt eine Lieferung der französischen Kampfpanzer Leclerc in die Ukraine nicht aus. "Was die Leclerc angeht, ist nichts ausgeschlossen." Oh là là!
Macron über Kampfpanzerlieferung: "Nichts ist ausgeschlossen"
Eine Bedingung hat Macron allerdings: Eine Bereitstellung dieser Kampfpanzer dürfe aber den Konflikt nicht eskalieren, die eigene Verteidigungsfähigkeit nicht schwächen und müsse eine realistische und effiziente Unterstützung der Ukraine darstellen.
Von Scholz kommt zu einer Lieferung von Kampfpanzern: nichts. Auf die Frage, ob die Lieferung amerikanischer US-Panzer vom Typ M1 Abrams eine Bedingung für die Lieferung deutscher Leopard-2-Panzer sei, antwortete Scholz bei der Pressekonferenz in Paris nicht. "Wir handeln nur eng miteinander abgestimmt", bekräftigte er lediglich.
Auf der Ukraine-Konferenz in Ramstein hatte sich Deutschland am Freitag trotz erheblichen Drucks von Verbündeten noch nicht für die Lieferung von Leopard-Kampfpanzern ins Kriegsgebiet entschieden. Mehrere Länder haben die Bereitschaft geäußert, Leopard-Panzer zu liefern. Da diese aus Deutschland stammen, müsste die Bundesregierung ihr Einverständnis geben – tut sie bisher aber nicht.
Der Leopard 2 gilt als der beste Kampfpanzer seiner Zeit

Polen will nicht auf Deutschland warten
In Warschau scheint man vom Schweige-Scholz mittlerweile genug zu haben: Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat angekündigt, notfalls auch ohne Zustimmung Deutschlands Leopard-Panzer an die Ukraine zu liefern. Der Nachrichtenagentur PAP sagte er am Sonntag: "Wir werden nicht tatenlos zusehen, wie die Ukraine ausblutet. Die Ukraine und Europa werden diesen Krieg gewinnen – mit oder ohne Deutschland."
Wenn es mit Deutschland keine baldige Einigung gebe, werde Polen mit anderen Ländern eine "kleinere Koalition" bilden. Diese Länder würden dann ohne deutsche Zustimmung beginnen, einige ihrer Leopard-Panzer an die Ukraine zu liefern.
Auch Lettland, Estland und Litauen forderten Deutschland auf, "sofort Leopard-Panzer an die Ukraine zu liefern", wie der lettische Außenminister Edgars Rinkevics auf Twitter schrieb.

Grüne wollen schnelle Leopard-Lieferungen an die Ukraine
Innerhalb der Ampel-Koalition regt sich ebenfalls der Widerstand gegen den SPD-Kanzler. Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour dringt auf eine rasche Positionierung der Bundesregierung zu Panzer-Lieferwünschen anderer Staaten an die Ukraine. Wenn es von Staaten in der Europäischen Union eine Bitte um Liefererlaubnis gebe, "dann verdienen sie eine schnelle Antwort", sagte Nouripour am Sonntagabend im ARD-"Bericht aus Berlin". Er betonte zugleich die Bedeutung internationaler Abstimmung in der Frage der Waffenlieferungen.
Grünen-Fraktionsvize Agnieszka Brugger sagte dazu am Sonntag dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): "Das Wichtigste ist, schnell die Entscheidung für die Lieferung von Kampfpanzern gemeinsam mit unseren europäischen Partnern zu treffen." Bruggers Fraktionskollege Anton Hofreiter urteilte, Deutschland habe in Ramstein "einen erheblichen Fehler gemacht" und dadurch weiter Ansehen eingebüßt. "Das muss jetzt schnell korrigiert werden", sagte der Vorsitzende des Europaausschusses den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Parteikollegen von Olaf Scholz verteidigen den Kanzler. Deutschland sei "ein solidarischer und berechenbarer Partner" der Ukraine, "ohne aus dem Blick zu verlieren, dass Millionen Deutsche ernste Sorgen vor einer deutschen Verwicklung in den Krieg umtreiben", sagte Generalsekretär Kevin Kühnert der "Rheinischen Post" (Montagsausgabe).
"Spiegel"-Bericht: 19 Leopard-Panzer könnte Deutschland liefern
Parteichef Lars Klingbeil sagte am Samstag bei einer Veranstaltung der Hamburger SPD, er wünsche sich einen Bundeskanzler, "der klug denkt, der klug handelt, der sich international abstimmt". Klingbeil fügte hinzu: "Das, was Olaf gesagt hat, 'keine Alleingänge', das muss die Prämisse sein." Es sei deshalb "genau richtig, was der Kanzler in dieser historischen Situation tut".
Brisant in der Panzer-Debatte ist ein Bericht des "Spiegel", wonach eine Liste mit den Beständen an Leopard-Panzern seit Monaten vorliege. Das Ministerium wollte sich dazu am Sonntag nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP nicht äußern. Laut "Spiegel" geht aus dem Dokument auch hervor, welche Exemplare für eine Lieferung an Kiew geeignet wären. Der Vorgang ist bemerkenswert, weil der neue Verteidigungsminister Pistorius am Freitag eine entsprechende Bestandsprüfung in Auftrag gegeben hatte.
Laut der dem "Spiegel" vorliegenden Liste verfügt die Bundeswehr insgesamt über 312 verschiedene Leopard-2-Panzer unterschiedlicher Baureihen. Davon seien im Mai vergangenen Jahres allerdings 99 für Instandsetzungs- und Reparaturarbeiten bei der Rüstungsindustrie gewesen, einer bereits in der Aussonderung.
In der Liste seien daher unter der Überschrift "Bestand Truppe" 212 Leopard-2-Modelle aufgeführt. Unter diesen seien die verschiedenen Modelle 2A5, 2A6, 2A7 und 2A7V aufgelistet – 2A7V ist demnach die modernste Ausführung des Waffensystems. Zum Stichtag 22. Mai habe die Truppe über 53 Exemplare dieser Leopard-Variante verfügt.
Aus der Liste gehe auch hervor, welche Modelle sich für eine Lieferung in die Ukraine eignen würden, berichtete der "Spiegel" unter Berufung auf Bundeswehr-Insider weiter. Demnach sei denkbar, dass die Bundeswehr die 19 Leopard 2A5-Modelle abgeben könne, da sie nur zu Übungen eingesetzt würden.