Das war eine starke Rede. Mit Leidenschaft und Schärfe, Energie und einem guten Gespür dafür, auch Punkte anzusprechen, die schmerzen. Ich bin bereit für den Kampf, das war das Signal.
Wäre nicht schlecht gewesen, der Kanzler hätte sie gehalten. Es war aber Friedrich Merz.
Dieser Tag, diese Sitzung im Bundestag mit der Regierungserklärung von Olaf Scholz ist eine Zäsur in der Amtszeit des Kanzlers. Die Öffentlichkeit hat viel erfahren, Scholz selbst aber auch. Dass er knapp zwei Wochen nach der Klatsche aus Karlsruhe noch immer keinen Plan B hat für seinen Haushalt? Weiß man jetzt. Dass ihm die Größe fehlt, mal einen Fehler einzugestehen, obwohl der das Schuldenschlamassel verursacht hat? Ist jetzt klar. Dass seine Regierung am seidenen Faden hängt? Offensichtlich.
Bis Weihnachten hat der Kanzler Zeit, einen Haushalt für das kommenden Jahr aufzustellen, entweder spart die Koalition dafür oder sie macht neue Schulden. Eigentlich hätte man erwartet, dass Scholz also mal skizziert, in welche Richtung es gehen soll; dass er eine Ansage macht. Aber er traut sich nicht, will weder rote Linien formulieren noch klare Standpunkte markieren. Um das Bündnis zu retten, ist für ihn Vorsicht die Mutter der Porzellankiste.
All das weiß man jetzt.
Was Scholz jetzt weiß: dass er einen Gegner hat und der Zweikampf um die Kanzlerschaft begonnen hat.
Merz will aus seiner Schwäche eine Stärke machen
Klar, die Rede des Vorsitzenden der CDU war gut, aggressiv, vernichtend für den Kanzler, aber das macht sie noch nicht interessant. Interessant war, wie sicher sich Friedrich Merz fühlte. Er betont jetzt seine größte Schwäche, weil er mittlerweile überzeugt ist, sie sei eigentlich eine Stärke: Das Klischee, er, seine ganze Partei seien Relikte der 90er. Er sei dankbar für diese Zuschreibung, rief Merz der Regierungsbank entgegen, weil sie Erinnerungen daran wecke, was gutes, konservatives Regieren bedeute.
Merz glaubt, dass der Zeitgeist kippt. Dass er, der Onkel aus der alten Bundesrepublik, plötzlich wieder ins Bild passen könnte, ohne dass er sich dafür groß hätte verändern müssen.
Es kann alles anders kommen, der Weg zur nächsten Wahl ist noch weit, sollte die Ampel nicht vorzeitig zerbrechen. Die Grünen sind auch noch da und Friedrich Merz wird sich sicher wieder selbst im Weg stehen, er ist immer noch Friedrich Merz. Aber die alte Leier der SPD, dass Scholz die Wahl schon so gut wie gewonnen habe, sobald Merz, der vermeintliche Bürgerschreck, offiziell zum Kanzlerkandidaten der Union ausgerufen wird, sollte im Willy-Brandt-Haus vielleicht überdacht werden.
Ja, der CDU-Chef steht für ein Zurück zu einer alten Ordnung. Aber genau das macht ihn für Scholz in diesen Zeiten gefährlich.