Wladimir Putin besucht Diktator Kim Jong-un, und der Westen macht sich darüber lustig. Der britische Verteidigungsminister Grant Shapps schrieb. "Die Welt hat sich von Russland abgewandt und Putin zu der Demütigung gezwungen, mit dem Hut in der Hand nach Nordkorea zu gehen, um seine illegale Invasion am Laufen zu halten." Die "Bild" schrieb vom "Bettel-Besuch". Osteuropa-Experte Anders Aslund auf X: "Was für ein Verlierer! Putins Besuch in Nordkorea ist in vielerlei Hinsicht peinlich."
Kims Waffenbasar
Vielleicht bemerken die "Experten" in ihrer Blase nicht, wie gefährlich dieser Besuch für den Westen ist. Shin Wonsik, Verteidigungsminister Südkoreas, sagte schon vor der Putin-Visite im Norden, dass Kim Jong-un Russland bereits fünf Millionen Granaten für schwere Artillerie und Mörser geliefert habe. Die Militärdoktrin Nordkoreas sieht eine Vollausstattung für 45 Kampftage vor. Die Dimensionen der Lagerhaltung lassen sich mit der in Westeuropa nicht vergleichen. Südkoreanische Experten gehen davon aus, dass der Norden "mehrere zehn Millionen Granaten" im Kaliber 152-Millimeter gehortet hat. Ähnlich sieht es bei Raketen für Mehrfachraketenwerfer (MLRS) der Typen Uragan und Smerchs und dem Standardwerfer BM21 aus. Das gleiche Bild bei 122-Millimeter-Mörsern.
Mit dem Schnippen eines Fingers kann Kim Jong-un Millionen Granaten und Raketen mobilisieren, während die Staaten der EU große Mühe haben, der Ukraine auch nur eine Million Granaten im Jahr zu Verfügung zu stellen. Zusätzlich hat Putin ballistische Raketen erhalten, ihre Trümmer wurden bereits in der Ukraine gefunden.
Kurzum: Am Regime in Nordkorea mag vieles erbärmlich sein, für die Rolle als Waffenlieferant ist dieses Prädikat grundfalsch.
Putin kündigt technologische Zusammenarbeit an
Im Gegenzug wird Moskau Rohstoffe und Lebensmittel nach Nordkorea liefern, wie es bereits geschieht. Und damit muss die Zusammenarbeit nicht enden. Nicht umsonst war der für die Rüstung zuständige Minister Andrei Beloussow mit auf der Reise.
Beloussow ist bekannt für unkonventionelle Lösungen, mit Startups und kreativen Modellen will er in Russland eine zweite Rüstungsindustrie neben den gigantischen Staatsbetrieben aufbauen. Aus Nordkorea könnten die Russen dringend benötigte Arbeitskräfte für die Rüstung importieren, so wie sie bereits in Afrika Arbeitskräfte anwerben.
In Nordkorea müssten die Russen zudem nicht jeden einzelnen Arbeiter überzeugen, hier würden sich Tausende auf ein Nicken des Diktators in Bewegung setzen. Denkbar wäre auch dieses Modell: Bei der Produktion von Marschflugkörpern und Drohnen hinkt Nordkorea hinterher. Es könnten mit russischer Hilfe Fabriken im Land errichtet werden, die für die Dauer des Krieges primär für Russland produzieren.
Beistandspakt beider Länder
In dem Treffen wurden zwei zentrale Dinge verabredet: Beide Seiten kündigten einen militärischen Beistandspakt an, für den Fall, dass eines der beiden Länder angegriffen wird. Das heißt nicht unbedingt, dass Russland Truppen schicken wird, sollte Nordkorea attackiert werden – oder umgekehrt. Allein durch die Absichtserklärung rücken beide Staaten zusammen. Des Weiteren hat Putin zugesagt, dass Moskau die UN-Sanktionen gegenüber Nordkorea einer Revision unterziehen wird. Was vermutlich nichts anderes bedeutet, dass Moskau sie schlicht missachtet.
Kim sagte in der übertragenen Rede, sein Land begrüße die Rolle der mächtigen Russischen Föderation bei der Bewahrung von Stabilität und Gleichgewicht "wir drücken unsere volle Unterstützung für die Spezielle Militäroperation der russischen Regierung in der Ukraine, um die Integrität und Stabilität ihres Gebietes zu schützen." Das ist der von Russland gewünschte Schulterschluss.
Putin setzte in seiner Rede bei den militärischen Operationen der USA in der asiatischen Region an, die "eindeutig feindselig" gegenüber Nordkorea seien. Zum Einsatz westlicher Waffen auf dem Gebiet der Russischen Föderation sagte Putin, wenn der Westen weitreichende Präzisionswaffen an die Ukraine liefere, werde die Russische Föderation eine militärisch-technologische Kooperation mit Nordkorea nicht länger ausschließen.
Nordkorea wird gestärkt
Das klingt nicht gut für den Westen, denn es stärkt das unberechenbare Nordkorea. Mit einer wie auch immer gearteten Beistandsgarantie Moskaus wird ein militärisches Vorgehen der USA gegen die Atommacht Nordkorea noch unwahrscheinlicher bis unmöglich. Lebensmittellieferungen und Einnahmen aus den Rüstungsexporten stärken das Regime nach innen. Und falls es tatsächlich, wie von Putin angedeutet, einen Know-how-Transfer geben wird, werden Raketen, Marschflugkörper und auch U-Boote made in Nordkorea einen gewaltigen Entwicklungsschritt nach vorn machen.
Die Wunschliste von Kim Jong-un ist endlos, entsprechend viel kann Putin geben. Nordkorea benötigt eine moderne integrierte Luftverteidigung, U-Boote, die nicht geortet werden können, Entwicklungshilfe bei Marschflugkörpern und Drohnen. Am Ende der Skala stehen atomwaffenfähige Hyperschall-Wiedereintrittskörper. Putin wird womöglich Wissen weitergeben, das er ohne den Druck des Krieges nicht exportiert hätte.
Für den Westen ist das keine gute Nachricht: Putin fängt an, die Feinde des Westens hochzurüsten, und Nordkorea ist nur ein Teil dieser Strategie. Die Huthi zeigen eindrucksvoll, wie sehr die westliche Weltordnung mit kleinem Einsatz gestört werden kann.
China drängt ans Japanische Meer
Seit dem Besuch Putins in Peking deutet sich zudem an, dass Nordkorea und Russland die Machtverhältnisse im Japanischen Meer verändern könnten. China strebt seit längerer Zeit nach einem Zugang zu dem Seegebiet, der lediglich von einer 15 Kilometer langen Landbrücke versperrt wird, die sich Russland und Nordkorea teilen. Lange Zeit sperrte sich Putin gegen eine größere Präsenz Chinas in der Region. Das könnte sich nach seinem Besuch in Pjönjang nun ändern.
Schlüssel der Überlegungen ist der chinesische Grenzfluss Tumen, der derzeit für größere Schiffe nicht befahrbar ist. Im Mai sicherte Putin Xi Jinping zu, mit Nordkorea an einer Lösung zu arbeiten, um Peking so einen Zugang zu erleichtern. Flache Brücken müssten ersetzt und der Fluss ausgebaggert werden.
Das wäre China der Zugang zum Japanischen Meer sicherlich wert. Für die USA und Japan wäre ein solches Szenario allerdings ein Albtraum.
Quellen: Eurasian Times, Defence Web, The Times