Reaktion auf Karlsruhe-Urteil Beleidigt und überheblich – der Habeck von der schlimmsten Sorte

Vizekanzler Habeck: Ihr Ernst, Herr Minister?
Vizekanzler Habeck: Ihr Ernst, Herr Minister?
© Bernd von Jutrczenka / DPA
Der Wirtschaftsminister warnt vor den Folgen des Karlsruher Urteils und beschimpft die Opposition. Nur eines fehlt völlig in seinen Interviews: Selbstkritik.

Robert Habeck hat zu Beginn der Woche zwei Interviews gegeben. Eines am Montagmorgen, eines am Montagabend. Was der Wirtschaftsminister zunächst im Deutschlandfunk von sich gab, war wieder Habeck von der schlimmsten Sorte: beleidigt, überheblich, selbstverliebt. Bis zum Gespräch mit den Tagesthemen ein paar Stunden später hatte der Vizekanzler dann die Selbstbeherrschung einigermaßen wiedergefunden. Jetzt versuchte er mit einigen moderaten Sätzen wieder aufzubauen, was er morgens mit blanker Polemik eingerissen hatte. Doch die Frage bleibt: Welcher Habeck ist der echte? Und: Wie ist es eigentlich um das Rechtsverständnis des Bundesministers bestellt?

Der Wirtschaftsminister wieder sehr wehleidig

Olaf Scholz, Christian Lindner und Robert Habeck – die drei wichtigsten Führungsfiguren der Ampel reagieren unterschiedlich auf die schwere Krise nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Schuldenbremse, jeder auf seine typische Art: Der Kanzler taucht ab. Der Finanzminister bezeichnet sich in völliger Realitätsverweigerung als Nutznießer des Urteils. Und der Wirtschaftsminister versucht es mal wieder mit Offenherzigkeit. 

Der Habeck im Deutschlandfunk-Gespräch war wieder der wehleidige Habeck aus jenem Interview Anfang 2023, als er bejammerte, dass sein Entwurf zum Heizungsgesetz durchgestochen worden sei.

Wohl wahr: Der Minister sprach sehr authentisch von den Sorgen der Menschen um ihre Jobs. Er prophezeite eine düstere Zukunft des Industriestandortes Deutschland, beschrieb die Anstrengungen anderer Wirtschaftsmächte in der Transformation. Und einen Schuldigen für die bedrohliche Lage hatte er auch ausgemacht: Die Union und ihre Klage vor dem Bundesverfassungsgericht.

"Das ist geradezu zynisch"

Nur eines kam Habeck in mehr als 12 Minuten Morgeninterview und acht Minuten Abendinterview nicht über die Lippen: Selbstkritik. Habeck ist in der Lage, ohne Unterlass zu beklagen, welche Gefahren nun dem Wirtschaftsstandort Deutschland drohen. 

Was er nicht hinbekommt, ist eine simple Erklärung: Wenn es doch um so viel geht, wenn für das Land so viel dranhängt, warum hat er sich dann zu Beginn der Koalition auf derart schwankenden Boden begeben? Warum hat er, der sich doch für kompetent genug gehalten hatte, auch selbst Finanzminister zu werden, auf einen Haushaltstrick eingelassen, vor dem nicht wenige Experten gewarnt hatten? Und woher nimmt er eigentlich die Chuzpe, jetzt fortwährend die Union zu kritisieren und den CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz auch persönlich zu beschimpfen?

Die Opposition, hat Habeck im Deutschlandfunk gesagt, könne sich zwar darüber freuen, dass sie Recht bekommen habe, "aber wie man sich über die Sorgen, die Nöte, geradezu die Panik, die in den Betrieben umgeht, freuen kann, das ist mir wirklich, wirklich schleierhaft", so Habeck. "Das ist geradezu zynisch." Wen, bitte, meinte er damit genau?

"Das ist der Sinn der Klage: Der Staat soll die Menschen in dieser Phase nicht mehr schützen, nicht mehr beschützen können für orbitant hohe Preise." Im Ernst, Herr Minister?

"Die Union klagt dafür, dass die Menschen in Deutschland höhere Preise bezahlen. Schönen Dank, Friedrich Merz." Geht’s noch, Robert Habeck?

Natürlich klagt die Opposition auch aus politischen Motiven. Aber wenn einer Klage in so dramatisch eindeutiger Weise stattgegeben wird wie im Fall des Urteils zur Schuldenbremse, dann hat sich die Opposition auch um das Recht verdient gemacht. Habeck dagegen reduziert die Klage der Opposition auf ihre politischen Motive und ignoriert damit den sachlichen Gehalt des Urteils. Er degradiert das Recht zu einer politischen Funktion. Es ist aber genau andersrum: das Recht ist die Grundlage jeder Politik, auch der von Robert Habeck.

Der Minister hielt der Opposition vor, manchmal könne man Recht bekommen, müsse sich aber hinterher fragen, ob es eigentlich gut war. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Gut wäre es gewesen, die Koalition hätte vorher nicht nur alles besser gewusst, sondern auch besser gemacht. Stattdessen hat sie das Recht zugunsten der Politik vernachlässigt; sie hat es darauf ankommen lassen, hat eine Koalition per Haushaltstrick nach der Devise errichtet: Wird schon gutgehen.

Habeck, der Wiederholungstäter

Habecks merkwürdiges Rechtsverständnis macht besonders stutzig, weil er Wiederholungstäter ist. Im Mai 2022 warnte der Vizekanzler die Deutsche Umwelthilfe ausdrücklich davor, gegen den Bau eines LNG-Terminals zu klagen, weil sonst die Versorgungssicherheit gefährdet sein könnte. Da schüttelten selbst wohlmeinende Beobachter den Kopf. 

Offenbar nimmt Habeck damals wie heute für sich in Anspruch, es legitimiere sein Handeln schon zur Genüge, nur das Gute und Richtige zu wollen. Genauer gesagt: das, was er für das Gute und Richtige hält. Habeck merkt dabei gar nicht mehr, wie er so genau jene Klischees der Überheblichkeit und Ignoranz bestätigt, mit denen die Grünen im öffentlichen Ansehen seit Monaten zu kämpfen haben.