Fast ein Vierteljahrhundert hat Baschar al-Assad in Syrien geherrscht, in mehr als einem Jahrzehnt Bürgerkrieg hielt er sich eisern an der Macht. Doch die überraschende Offensive, die islamistische Kämpfer der Miliz Hajat Tahrir al-Scham (HTS) und verbündete Verbände am 27. November begannen, bereitete seiner Herrschaft nun binnen weniger Tage ein Ende. Die islamistischen Kämpfer eroberten am Wochenende Damaskus – Assad musste fliehen.
"Der Tyrann Baschar al-Assad ist geflohen", verkündeten die islamistischen Kämpfer. Ihr Einmarsch in die Hauptstadt Damaskus bedeute "das Ende dieser dunklen Zeit und der Beginn einer neuen Ära für Syrien". Die für ihre guten Informationen bekannte Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte erklärte, Assad habe Syrien über den internationalen Flughafen von Damaskus verlassen. Und auch Russland, ein treuer Verbündeter von Assad, bestätigte die Flucht des syrischen Machthabers ins Ausland.
Der 59-Jährige hatte die Macht im Land im Jahr 2000 von seinem kurz zuvor verstorbenen Vater Hafis al-Assad übernommen. Ursprünglich war sein älterer Bruder Bassel als Nachfolger bestimmt gewesen, dieser starb jedoch 1994 bei einem Autounfall. Baschar gab daher sein Medizinstudium in London auf und kehrte heim.
Syrien: Assad sicherte Macht mit Russlands Hilfe
Um sich in dem Bürgerkrieg an der Macht zu halten, suchte Assad nicht nur beim Iran und der pro-iranischen Hisbollah-Miliz im Libanon, sondern auch bei Russland Unterstützung. Das Eingreifen Moskaus mit massiven Luftangriffen in Syrien hielt Assad 2015 an der Macht. Dem Volk und dem Ausland präsentierte er sich als Syriens einzig möglicher Machthaber angesichts der Bedrohung durch islamistische "Terroristen".
Assad hat zudem immer wieder behauptet, der Bürgerkrieg in Syrien werde von ausländischen Mächten orchestriert. Diesen Vorwurf erneuerte er nach dem Beginn der Überraschungsoffensive der islamistischen Kämpfer rund um HTS Ende November. "Die terroristische Eskalation spiegelt die langfristigen Ziele wieder, die Region zu spalten und die Länder darin zu zersplittern und die Landkarte in Übereinstimmung mit den Zielen der USA und des Westens neu zu zeichnen", sagte er kurz zuvor.
Da glaubte Assad noch an die Stärke seiner Truppen. Nachdem er nun außer Landes fliehen musste, wird er sich auch damit auseinandersetzen müssen, dass er nach jahrzehntelanger unerbittlicher Herrschaft nicht nur die Unterstützung des syrischen Volkes, sondern auch den sicher geglaubten bedingungslosen Rückhalt der Armee verloren hat.